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Statement der Co-Intendanten
zur Nichtverlängerung des Vertrags
Liebes Publikum,
Der Verwaltungsrat hat entschieden, unseren Vertrag per Mitte 2024 nicht zu verlängern. Unsere Intendanz endet damit bereits mit der kommenden Spielzeit. Heute wurde eine gemeinsame Pressemitteilung dazu vom Verwaltungsrat und uns verschickt.
Die Entwicklung der letzten Wochen kam für uns überraschend. Wir hätten das Projekt gern weitergeführt, anders als es in der Presse in den letzten Tagen spekuliert wurde. Dafür sind uns dieses Projekt, dieses Haus, unsere Kunst und die Menschen, mit denen wir arbeiten dürfen, zu wichtig.
Betonen möchten wir folgendes: Dass wir aufgrund ausbleibender Subventions-Erhöhungen hingeworfen hätten, ist eben doppelt falsch. Es stimmt nicht, dass wir hingeworfen haben. Was stimmt, ist, dass der Verwaltungsrat und wir uns für diese Subventionserhöhung eingesetzt haben (die erste wesentliche seit vielen Jahren). Parallel dazu haben wir aber bereits vor vielen Monaten begonnen, zu planen, wie wir finanziell auffangen können, falls diese nicht käme. Als die Politik den Antrag dann nicht unterstützen konnte, hat das uns und den Verwaltungsrat sehr enttäuscht - aber wir haben den Entscheid akzeptiert und nach vorne geschaut.
Aber natürlich war es klar, dass wir sparen müssen. Die angespannte Situation, auch in der Folge von Corona, hatte Konsequenzen für das Budget, das wir aber immer im Blick hatten. Dabei haben wir viele Optionen erwogen, wir haben auch einschneidende Massnahmen ergriffen und für die kommende Spielzeit ins Auge gefasst, immer auch zusammen im engen Austausch mit dem Verwaltungsrat. Betriebsbedingte Kündigungen wollten wir um jeden Preis vermeiden und bis zum Schluss nach Wegen suchen, wie das gehen könnte.
Dieses Projekt, dessen Wesenskern die Öffnung und die Kunst ist - die Erweiterung des Theaterbegriffs einerseits und die Öffnung hin zu einem diverseren und inklusiveren Haus mit einem kollektiveren, partizipativen Leitungsstil andererseits - wird getragen von vielen Menschen. Viele von ihnen haben erste Erfahrungen gemacht, dass das Haus auch ihres ist und für sie und von ihnen. Sie alle investieren viel und sie alle haben zugleich viel Hoffnung in das Schauspielhaus Zürich gesetzt. Mit ihnen sind wir stolz auf das, was in den letzten Jahren am Schauspielhaus trotz Corona und anderer widriger Umstände bewegt wurde.
Nicht zuletzt sind wir stolz auf Sie, auf unser Publikum – jene von Ihnen, die wir neu dazugewinnen, jene, die wir halten konnten und jene, von denen wir wissen, dass sie es noch und wieder werden könnten. Die immer wieder begeisterten und warmen Reaktionen, die für ein Stadttheater besondere Mischung des Publikums aus traditionelleren und progressiveren, aus jungen und alten Menschen – all das hat Freude und Hoffnung gemacht. Auch, dass es uns gelungen ist, vermehrt ein jüngeres und diverseres Publikum für das Theater zu begeistern, ist ein gutes Zeichen. Denn dies ist auch eine Investition in die Zukunft der Institution. Dass wir indes nicht alle halten konnten und insbesondere traditionellere Schichten irritiert haben, finden wir bedauerlich. Sicher kann man es nicht allen recht machen, und Veränderungen sind oft schmerzhaft – doch auch wir lieben das Traditionelle am Theater, und manchmal handelte es sich schlicht um Missverständnisse. Auch um diese zu überwinden und sich auf die jeweiligen Erwartungen einstellen zu können, hätten wir gerne mehr Zeit gehabt als diese von Corona überschattete erste Vertragslaufzeit.
Vor allem aber sind wir stolz auf die aufregende Theaterkunst, die hier am Schauspielhaus Zürich entstanden ist und weiter entsteht. Viele Preise haben diese ausgezeichnet, Einladungen erfolgen in die ganze Welt – die prägenden Hauskünstler*innen der letzten Jahre – Leonie Böhm, Alexander Giesche, Suna Gürler, Yana Ross, Trajal Harrell, Christopher Rüping und Wu Tsang, aber auch Christiane Jatahy und Milo Rau sowie natürlich Nicolas Stemann und ein herausragendes und einzigartiges Ensemble aus Schauspieler*innen, Tänzer*innen und Performer*innen hat das Schauspielhaus Zürich auch international markant platzieren können. Die Künstler*innen, die hier arbeiten, die Zusammenstellung der Gruppe - das ist einzigartig im deutschsprachigen Raum.
Wir sind dankbar für diese Begegnungen, die das Schauspielhaus Zürich und eine hoch motivierte Belegschaft ermöglicht haben.
Schliesslich gibt es für uns alle keinen Zweifel daran, dass der angestossene Veränderungs-Prozess in der Institution hinsichtlich Nachhaltigkeit, Diversität und Inklusion, die Arbeit an kollektiveren Strukturen und flacheren Hierarchien notwendig und richtig ist. Uns ist es wichtig, dass die Relevanz dieses Bereichs erkannt wird und die Debattenkultur unsere Zeit in Zürich überlebt. Die Gesellschaft verändert sich, die Menschen verändern sich und Institutionen müssen dazu bereit sein, es ihnen gleichzutun. Wir werden weiter unser Bestes geben und daran arbeiten, dass sich dem Theater viele zugehörig fühlen und es sich vielen öffnet. Und dass die Kunst im Zentrum steht und einen Unterschied macht.
In den letzten Wochen hiess es immer wieder, die Stadt Zürich würde die Kunst und das Theater nicht ausreichend lieben. Aber wer soll das sein, die "Stadt Zürich”? Wir haben auch ein anderes Zürich erlebt. Wir erleben Menschen, die für das Theater brennen. Wir erleben engagierte Bürger*innen, kritische Geister, kreative Köpfe, berührende Persönlichkeiten. Wir setzen unsere Hoffnung auf dieses Zürich.
Haben wir alles richtig gemacht? Natürlich nicht. Wir haben viel versucht, vielleicht zu viel, vielleicht auch zu schnell. Wir haben viel riskiert und sicher Fehler gemacht. Aus der Theaterarbeit wissen wir aber, dass es keine Entwicklung gibt, wenn man immer nur alles richtig machen will. Wir sind konstant dabei, dazuzulernen, Dinge gut zu machen, Fehler zu begehen, und wieder daraus zu lernen, um Dinge besser zu machen. Auch dafür werden wir die verbleibende Zeit nutzen.
Jetzt gerade sind wir sehr erschöpft und traurig. Aber da kommen wir wieder raus. Denn wir sind nicht allein. Wir haben wunderbare Mitarbeiter*innen, die dieses Projekt gestalten und tragen. Wir haben unsere Kunst. Und wir haben Sie, verehrtes Publikum, und darauf, mit Ihnen gemeinsam noch eine tolle Zeit zu erleben, freuen wir uns sehr. Möge die nächste Saison, unsere letzte, ein gemeinsames Fest werden.
Das ist alles, was wir zur Zeit zu sagen haben. Sie werden daher auch keine Interviews mit uns lesen. Wir wollen uns auf unsere Arbeit konzentrieren. Und wir freuen uns auf die Proben, das Theatermachen, auf Sie, unser Publikum bei uns im Schauspielhaus, da wo das eigentliche Theater sich ereignet.
Herzlich,
Ihre Benjamin von Blomberg und Nicolas Stemann