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Einfach das Ende der Welt und Medea* zum Theatertreffen 2021 eingeladen
Gleich zwei Produktionen des Schauspielhaus Zürich wurden zum 58. Berliner Theatertreffen eingeladen: Einfach das Ende der Welt nach Jean-Luc Lagarce, inszeniert von Christopher Rüping (Premiere: 3. Dezember 2020, Schiffbau-Halle) und Medea* nach Euripides, inszeniert von Leonie Böhm (Premiere: 19. September 2020, Schiffbau-Box). Somit ist Rüping bereits zum vierten Mal ans Theatertreffen eingeladen und erstmals mit einer Produktion des Schauspielhaus Zürich. Wir freuen uns sehr und gratulieren unseren beiden Hausregisseur*innen herzlich!
Die Jury des Theatertreffens diskutierte im Zeitraum vom 27. Januar 2020 bis 5. Februar 2021 insgesamt 285 Inszenierungen aus 60 Städten in Deutschland, Österreich und der Schweiz. 531 Voten gingen ein und insgesamt 26 Inszenierungen wurden vorgeschlagen und diskutiert. Davon hat die Jury zehn «bemerkenswerte Inszenierungen eines aussergewöhnlichen und herausfordernden Theaterjahres» für die Einladung zum Theatertreffen nominiert.
Neben einer digitalen Festivalausgabe im Mai 2021 sind unterschiedliche Festival-Szenarien in Planung. Details zur Durchführung des 58. Theatertreffens werden im März kommuniziert. Jährlich werden beim Theatertreffen der Theaterpreis Berlin der Stiftung Preussische Seehandlung, der 3sat-Preis sowie zum Festivalabschluss der Alfred-Kerr-Darstellerpreis vergeben.
Pressemitteilung, Theatertreffen 2021: Die 10er Auswahl
Statement der Jury: Medea*
Medea steht einsam an einem toten Punkt. Das streicht Leonie Böhm in ihrer Inszenierung – im Grunde ist es ein Monolog – von Anfang an heraus. Die sozialen Bande sind gerissen, es gibt keinen festen Boden unter den Füßen (nur flottierende Tücher), das destruktive und selbstdestruktive Handeln hat seine alternativlose Eigendynamik schon in Gang gesetzt. Böhm zeigt eine Frau im freien Fall. Sie legt ihr Augenmerk nicht auf den unmenschlichen Akt der Kindstötung, sondern auf die Entwicklung, die diesem passage à lʼacte vorausgeht. Die Selbstermächtigung, die ihm inneliegt. Die neuen Entfaltungsmöglichkeiten, die er vielleicht schafft. Die Zürcher Medea ist eine Medea, die Christa Wolf gelesen hat und der Sigmund Freud, Jacques Lacan, Walter Benjamin zumindest nicht fremd sind. Auch wenn sie neben improvisierten Texten vor allem Euripides spricht. Eine Medea von heute, die das ganze kranke System an die Wand fährt. Wie Maja Beckmann das schauspielerisch entwickelt, wie Leonie Böhm es bildhaft anlegt, wie Johannes Rieder es musikalisch spiegelt, ist atemberaubend und klug.
Statement der Jury: Einfach das Ende der Welt
„Einfach das Ende der Welt“ ist die Geschichte vom verlorenen Sohn, Louis, hier Benjamin (Lillie), der mit zwanzig Jahren in die Großstadt abgehauen ist, um sein Leben als Homosexueller und als Künstler zu leben. Zwölf Jahre danach kommt er todkrank zurück, um mit der Familie zu reden. Es geht schief, was nur schief gehen kann – respektive, wie es seine Richtigkeit hat. Christopher Rüping arbeitet die ausweglose Einsamkeit, in der alle Protagonist*innen gefangen sind, mit Unbarmherzigkeit heraus: die gegenseitige Verständnislosigkeit, die Projektionen, das zwanghafte Familiengeflecht. In herzzerreißenden Momenten scheint bei allen auch eine immense Sehnsucht nach Anerkennung und Liebe auf. In einer ausgedehnten, spannungsgeladenen Exposition verweilt Benjamin zunächst in der Heimat als seinem Erinnerungsort, ein obsessives Wohlfühl-Setting, das in der Konfrontation mit der Familie einer harten und kargen Gegenwart weicht. Nichts ist je eindeutig, keine Lösung in Sicht, die Perspektiven verschieben sich ständig und formen das schönste neurotische Gebilde.