News
Statement der Intendanz
Liebes Publikum,
in den letzten Tagen wurden in Schweizer und Deutschen Medien einige Artikel veröffentlicht, die unter anderem den Abonnent*innen-Schwund sowie die generelle Ausrichtung bei uns am Haus thematisieren. Einige der Berichte sind sehr kritisch, zuspitzend und tragen kampagnenhafte Züge; andere wurden genauer recherchiert, signalisieren mehr Verständnis und stellen unsere Zahlen und auch unsere Ausrichtung in einen gesellschaftspolitisch wie auch geografisch breiteren Kontext. In der Berichterstattung wurden Vorwürfe in den Raum gestellt, die wir so nicht stehen lassen können. Wir möchten dazu Stellung nehmen.
/////
Den Vorwurf des Mobbings erachten wir als rufschädigend und verwahren uns in aller Form dagegen.
Es ist ein indiskutables journalistisches Vorgehen, an anderer Stelle in Form eines Essays und eines Interviews von Ensemblemitglied Sebastian Rudolph getätigte Aussagen aus dem Kontext zu reissen, sie derart gegen das Schauspielhaus in Stellung zu bringen und dies nicht mit ihm abzusprechen. Sebastian Rudolph verwehrt sich entschieden gegen diese Instrumentalisierung. Auch Robert Hunger-Bühlers Äusserungen – die wir in der Sache zudem zumindest fragwürdig finden - werden vereinnahmt und gegen uns gerichtet. Er ist seit unserer Intendanz hier nicht mehr im Ensemble.
Es gehört zur DNA unseres Hauses, Debatten zuzulassen. Wir haben intern eine Reihe von Formaten etabliert, die allen Raum geben und den Austausch fördern sollen. Verschiedenste Lebensrealitäten sollen und müssen bei uns aufeinandertreffen können. Natürlich, dessen sind wir uns alle bewusst, kommt es auch bei uns zu Auseinandersetzungen. Diese sind sogar nötig, um exzellente künstlerische Arbeit zu ermöglichen.
Es gibt kaum eine Institution, in der so viel verhandelt, gestritten und versöhnt wird wie im Theater. Um dies zu ermöglichen, haben wir verschiedene Tools ins Leben gerufen: In Produktionen, in denen die Zusammensetzung der Beteiligten dies erforderlich macht, nehmen wir begleitende Coachings in Anspruch. So zum Beispiel bei der Inszenierung von Wilhelm Tell, bei der Laien mitgemacht haben. Darüber hinaus gibt es für den gesamten Betrieb einen KOMPASS (Code of Conduct) und ein Reglement zum Schutz der persönlichen Integrität, mittels dessen Mitarbeitende bei Bedarf eine interne Beschwerdekommission einberufen können. Zudem stehen als interne Anlaufstelle Kolleg*innen der Personalabteilung, eine Diversitätsagentin sowie mit der Organisation MOVIS zusätzlich eine externe Anlaufstelle zur Verfügung.
/////
Zu unseren Zuschauer*innen-Zahlen
Leider ist das Publikum seit den Corona-Einschränkungen noch nicht in dem Umfang zurückgekehrt, der den Zahlen vor Corona entspräche. Dies ist natürlich schmerzhaft – zumal unser Eröffnungsprogramm zu begeisterten Reaktionen bei einem Grossteil der Kritiker*innen und Premierenbesucher*innen führte. Es ist jedoch ein Problem, das wir mit sehr vielen Theatern im deutschsprachigen Raum, ja, in ganz Europa teilen – und nicht nur Theater, auch Kinos, Clubs, Konzertveranstalter berichten von diesem Phänomen. Entsprechendes gilt für die Abo-Zahlen. Bisher haben 72 % unserer Abonnent*innen ihr Abo erneuert. Es ist klar, dass uns dies beschäftigt: die Abonnent*innen sind ein wichtiger Teil unseres Publikums, und wir wollen sie nicht verlieren. Gleichzeitig sind wir uns bewusst, dass es sich beim Rückgang der Abo-Erneuerungen um einen Trend handelt, der seit Jahren bei vielen Theaterhäusern wahrnehmbar ist – und den die Pandemie leider verstärkt hat. Angebote mit mehr Flexibilität bei der Datenwahl werden zunehmend geschätzt. Tickets werden oft am Tag der Vorstellung online oder an der Abendkasse gekauft. Und ein jüngeres, preissensibles Publikum spricht gut auf unsere Angebote wie Theatermontag oder Zahlen, was man will, an.
/////
Warum derart gegen uns polemisiert wird – darüber lässt sich nun spekulieren. Um eine sachliche Darstellung objektiver Missstände geht es bei derart Artikeln auf jeden Fall nicht.
Einzelne Berichterstattungen scheinen uns klar politisch motiviert: gegen Öffnungen, andere Repräsentationen und eine andere Verteilung von Ressourcen. Die Stimmen, die da gerade massiv den Echoraum besetzen, sollten in unseren Augen ihre Macht und Mehrheitspositionen dazu nutzen, Platz auch für andere Stimmen zu schaffen. Sie sollten anfangen, zuzuhören und ihre Perspektive zu vervielfältigen. Denn darum geht es bei Diversität auch: diverse Geschichten und Blickwinkel wahrnehmbar zu machen. Stattdessen poltern sie. Und ihr Gedonnere gilt vor allem den anderen, bisher marginalisierten Stimmen, die gerade erst dabei sind, den Raum in unseren Institutionen mitzubesetzen. Und damit beginnen, aufregende neue und andere Kunst zu machen, von der möglichst viele profitieren. Uns ist bewusst, dass diese Artikel andere noch weit mehr verletzen und verstören, als sie uns treffen. Wir werden alles, was wir dafür tun können, tun, um diesen Einschüchterungsversuchen entgegenzutreten.
Für uns ist der Kurs der weiteren Inklusion und Diversifizierung nicht verhandelbar. Wir befinden uns damit im Einklang mit dem Kulturleitbild, das die Stadt Zürich den Institutionen gegeben hat.
/////
Liebes Publikum, wir bleiben dran. Wir sind nicht frei von Fehlern und Fehleinschätzung, auch was unseren Kurs der Diversifizierung anbelangt. Wir werden dazulernen und ihn entschieden weiterverfolgen. Wir wollen ein Stadttheater für möglichst viele sein. Wir hören Ihr Feedback, ob positiv oder negativ. Und wir arbeiten stetig daran, einem treuen Publikum wie auch Menschen, die bisher noch nicht so oft ins Theater gingen, tolle Theater-Erlebnisse zu bieten. Weil wir das Theater lieben. Auf die Arbeiten, die auch jetzt gerade wieder anlässlich der Eröffnung entstanden sind, sind wir stolz – und die Reaktionen zahlreicher Zuschauer*innen und der Kritik haben uns hierin bestätigt.
Sind wir doch in erster Linie, so wie Sie, Menschen, die im Theater nicht nur die moralisch-politischen Aspekte, sondern das Besondere, Sinnliche, Überraschende, Unvorhergesehene, Unterhaltsame – kurz: das Erlebnis lieben.
Und jetzt erst recht: wir freuen uns auf Sie!
Mit herzlichen Grüssen,
Benjamin von Blomberg und Nicolas Stemann