Talking Diversity
In unserer Kommunikation am Schauspielhaus Zürich verwenden wir diskriminierungssensible und -kritische Sprache. Damit Sie wissen, wovon wir sprechen, wenn wir bestimmte Wörter benutzen, haben wir für Sie ein Glossar mit Grundlagenbegriffen zusammengestellt.
Sprache ist ein fluides Tool. Sie spiegelt gesellschaftliche Prozesse, kann manchmal sogar Veränderungen vorantreiben. Wer das eigene Sprechen diskriminierungssensibel gestaltet, trägt dazu bei, jahrhundertealte und gesamtgesellschaftlich wirkende Macht- und Gewaltsysteme zu überwinden, die Herabsetzung von verletzbaren Menschen zu vermeiden und marginalisierten Gruppen zu Sichtbarkeit zu verhelfen. Diese sind nicht nur sprachlich, sondern auch in Medien, Politik und Kultur untervertreten und erhalten keine Bühne oder wenig Gehör für ihre Stimme.
Eine diskriminierungssensible Sprache hilft zu differenzieren und Stereotypisierungen und gewaltvollen Fremdzuschreibungen entgegenzuwirken.
Sie lässt stattdessen alle Individuen mit ihren persönlichen Zugehörigkeiten selbst und selbstgewählt sprechen.
Die Begriffe, die hier vorgestellt werden, sind explizit keine Definitionen und nicht für alle Ewigkeit in Stein gemeisselt. Einige kommen aus dem US-amerikanischen Sprachraum und haben noch keine deutsche Entsprechung gefunden. Die Begriffe sind oft abhängig von lokalen gesellschaftlichen Kontexten, in denen sie verwendet werden, ihre Bedeutungen verschieben sich im Gebrauch. Sie liefern ein temporäres Abbild unserer Zeit, im Wissen darum, wie schnell sich gesellschaftliche Zustände verändern. Sie sollen Mut machen, Sprache nicht als Zwang, sondern als kreatives Werkzeug zu begreifen, das es uns möglich macht, die Welt selbstbestimmt mitzugestalten.
Glossar
*
In unserer Kommunikation verwenden wir grundsätzlich das Gendersternchen, um nicht nur Menschen, die sich mit dem männlichen oder weiblichen Geschlecht identifizieren, sondern Menschen aller Geschlechter sichtbar zu machen und anzusprechen (vgl. trans, inter, non-binär, Pronomen). Mündlich wird der Genderstern als kurze Pause gesprochen: «Arbeiter-[Atempause]-innen». Gleichbedeutend wie das Gendersternchen wird heute oft auch der Doppelpunkt eingesetzt: «Arbeiter:innen».
Ableismus
ist ein am englischen «Ableism» angelehnter Begriff, der aus der US-amerikanischen Behindertenbewegung stammt. Er beschreibt die Diskriminierung von Menschen mit Behinderung, die nicht den Normvorstellungen, was Menschen können und leisten sollen – zum Beispiel laufen, sehen, hören, sprechen, sozial interagieren –, entsprechen. Die Formulierung «behindert werden» soll zudem deutlich machen, dass Menschen nicht aufgrund ihrer individuellen Körper behindert sind, sondern durch Architekturen, Barrieren und gesellschaftliche Ausschlüsse behindert werden.
Ageism
(dt. «Altersdiskriminierung») beschreibt die Ausgrenzung und Herabwürdigung von Menschen eines gewissen Alters, insbesondere älterer Menschen. Bei Ageism findet aufgrund des Alters eine jahrgangs- oder generationsbezogene soziale, berufliche und/oder ökonomische Benachteiligung von Gruppen oder einzelnen Personen statt.
Ally
bedeutet auf Englisch «Alliierte*r», «Verbündete*r». Der Begriff bezeichnet Menschen, die ihre Privilegien nutzen, um sich aktiv für Menschen einzusetzen, die Diskriminierungserfahrungen machen. Für Menschen mit Diskriminierungserfahrung ist es diesbezüglich wichtig, dass Allies sich nicht als «Retter*innen» (Zum Beispiel white savior oder male savior) von marginalisierten Menschen darstellen, sondern sich im Sinne von Empowerment mit ihnen und an ihrer Seite gegen Diskriminierung stellen.
Anti-Schwarzer Rassismus
Eine Form von Rassismus, die sich gegen Schwarze und Schwarz gelesene Menschen richtet. Andere Formen von Rassismus sind antiasiatischer Rassismus, antimuslimischer Rassismus (Islamophobie), Antisemitismus (gegen Menschen mit jüdischer Religionszugehörigkeit) oder Antiziganismus (gegen Rom*nja und Sinti*zze).
Antisemitismus
Dieser Begriff drückt eine ablehnende bis feindliche Haltung oder Einstellung gegenüber Menschen aus, die sich als jüdisch bezeichnen oder als solche wahrgenommen werden.
Antisemitismus manifestiert sich in feindseligen Überzeugungen, Vorurteilen oder Stereotypen, die sich in der Gesellschaft oder in Einzelhandlungen zeigen. Diese bewirken, dass jüdisch gelesene Personen beleidigt, herabgesetzt, ausgegrenzt, benachteiligt oder als grundsätzlich «anders» betrachtet werden. Eine solche Gewalt erleben nicht nur Menschen, sondern auch jüdische Organisationen.
Behindert werden
Die Formulierung macht deutlich, dass Menschen nicht aufgrund ihrer individuellen Körper behindert sind, sondern durch Barrieren und gesellschaftliche Ausschlüsse behindert werden. Es sind nicht die individuellen Körper oder Fähigkeiten der Personen selbst, die Behinderung ausmachen, sondern Barrieren und fehlende Zugänge.
BIPoC
Abkürzung für Black (Schwarze Menschen), Indigenous (indigene Menschen) und People of Color.
Black Lives Matter
(abgekürzt BLM, engl. ungefähr für «Schwarze Leben zählen») ist der Slogan der gleichnamigen transnationalen Bewegung, die sich mit Protesten, Gedenkveranstaltungen und einer weltweiten Mobilisierung auf Social Media gegen Gewalt an Schwarzen Menschen und People of Color aufgrund von Rassismus, Racial Profiling und Polizeigewalt einsetzt. Das Hashtag #BlackLivesMatter ging 2013 nach dem Freispruch des Täters, der den afroamerikanischen Teenager Trayvon Martin in Florida erschossen hatte, viral und erlangte internationale Bekanntheit durch die Demonstrationen, die 2014 auf die rassistisch motivierte Tötung von Michael Brown in Ferguson und Eric Garner in New York folgten.
Body Shaming
bedeutet, jemanden aufgrund seiner körperlichen Erscheinung zu beleidigen oder zu diskriminieren. Das kann jeden Körper treffen, vor allem aber werden weibliche, trans, inter und/oder dicke Körper (Fat Shaming) bewertend und herablassend kommentiert. Auch dünne (Skinny Shaming), alte oder behinderte Körper sind davon betroffen. Body Shaming meint auch, wenn sich Betroffene bedingt durch Umwelteinflüsse für ihren Körper schämen, wenn er nicht der gesellschaftlichen Norm und kaum erreichbaren Schönheits- und Körperbildern, die in Medien oder Werbung propagiert werden, entspricht.
cis
(lat. für «diesseits», «auf dieser Seite stehend») sind Personen, die sich mit dem Geschlecht, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde, tatsächlich auch identifizieren. (vgl. auch trans(gender))
Diversität
meint die Repräsentation von Differenz hinsichtlich verschiedener Lebensrealitäten und -welten. Diese Differenzen beziehen sich auf verschiedene Dimensionen: race/ethnische Herkunft, Nationalität, Geschlecht/ Geschlechtsidentität, sexuelle Orientierung, sozioökonomische Herkunft/soziale Stellung, Alter, physische/mentale Fähigkeiten, Religion/Weltanschauung, etc.
Diversitätsentwicklung in Institutionen wie dem Schauspielhaus Zürich zielt darauf ab, diskriminierungsarme Räume (vgl. safer space) zu entwickeln, um Verbindungen herzustellen und Zugehörigkeit zu stiften. Damit Diversität nachhaltig sichergestellt und Konflikte gelöst werden können, bedarf es Inklusions-Praktiken, die Barrieren abbauen, Chancengleichheit erhöhen, Teilhabe gestalten und Diskriminierung abbauen. Dafür grundlegend ist eine Auseinandersetzung mit Machtverhältnissen und der Reproduktion von Privilegien bzw. Nachteilen, sowie ein Verständnis für die Beziehung zwischen Individuen und der sozialen Umwelt.
Diskriminierung
Gruppenzuordnungen, aufgrund derer Menschen diskriminiert werden, sind zum Beispiel Geschlechtsidentität, sexuelle Orientierung, soziale oder ethnische Herkunft, Sprache, Religion, politische Überzeugung, Alter, Behinderung, Körpergewicht. Die von der Gesellschaft konstruierten Normen und die Abweichung davon führen zu Diskriminierung. Rassistische Diskriminierung ist eine spezifische Form der Ungleichbehandlung aufgrund tatsächlicher oder zugeschriebener physiognomischer Merkmale, ethnischer Herkunft, kultureller Eigenschaften und/oder religiöser Zugehörigkeit.
Dominanzgesellschaft
Die Dominanzgesellschaft prägt das vorherrschende Wertesystem des sozialen Zusammenlebens und erzeugt dadurch gesellschaftliche Ein- und Ausschlüsse, Privilegien und strukturelle Diskriminierungen. Der Begriff «Dominanzgesellschaft» zeigt anders als der geläufigere Begriff «Mehrheitsgesellschaft» auf, dass verschiedene hierarchische Machtstrukturen eine Gesellschaft durchziehen und es bei der Frage, wer welche Normen und Werte prägt, nicht um Bevölkerungsanteile, also zählbare Mehr- und Minderheiten, geht.
Empowerment
(engl. für «Ermächtigung») meint, dass Personen oder Gruppen, die gesellschaftlich benachteiligt sind, durch gezielte Strategien und Qualifikationsangebote das Handwerkszeug erwerben, ihr Leben selbstbestimmter gestalten zu können. Dabei wird der Fokus darauf gelegt, die eigenen Stärken zu erkennen, daraus (neue) Handlungsmöglichkeiten abzuleiten und Eintritt zu Bereichen zu erlangen, die sonst aufgrund von Diskriminierung schwer zugänglich sind.
Eurozentrismus
beschreibt die Beurteilung nicht-europäischer Kulturen aus der Perspektive europäischer Werte und Normen. Europa bildet hier das unreflektierte Zentrum des Denkens und Handelns; Europas Entwicklungsgeschichte wird als Massstab für jegliche Vergleiche mit anderen Ländern und Kulturen gesehen.
Exotismus
ist eine Form des Eurozentrismus. Er beschreibt eine Grundeinstellung, die das Fremde, wie zum Beispiel «fremde Kulturen», als durchaus positiv bewertet und ihm eine besondere Faszination beimisst. Das Fremde wird alleine unter «exotischen» Aspekten wahrgenommen. Diese voreingenommene Perspektive wird wenig bis gar nicht reflektiert.
Femizid
meint die gezielte Tötung einer Frau oder eines Mädchens bzw. von FLINTA*, bei der das Geschlecht mutmasslich das Motiv oder entscheidender Faktor für die Verübung der Tat war. Auch zielgerichtete tödliche Gewalt gegen Frauen und Mädchen bzw. FLINTA* in Kriegen, sowie tödliche frauenfeindliche Hass-Verbrechen mit möglicherweise zusätzlich rassistischen, homo-, trans- und behindertenfeindlichen Motiven fallen unter diesen Begriff.
Femizide sind keine Einzelfälle, sondern Resultat von struktureller Gewalt, deren Ausgangspunkt in den patriarchalen Machtverhältnissen unserer Gesellschaft liegt. Gewalt gegen Frauen wird noch oft als Privatsache behandelt, was sich am gesellschaftlichen Umgang damit ablesen lässt: Der Begriff Femizid ist in der Schweiz noch immer kein etablierter politischer Begriff: Seine Verwendung wurde im Sommer 2020 vom Ständerat erneut abgelehnt.
FLINTA*
steht als Abkürzung für Frauen, lesbische, inter, non-binäre, trans und agender Personen und beschreibt somit jene Menschen, die aufgrund ihrer Geschlechtsidentität patriarchal diskriminiert werden. Das Sternchen * verweist auf nicht explizit erwähnte Personen, die sich nicht in eine der genannten sexuellen Orientierungen oder Geschlechtsidentitäten einordnen und mitgemeint sind.
Fremdenfeindlichkeit/Xenophobie
ist eine ablehnende Einstellung und Verhaltensweise gegen als «fremd» empfundene Menschen und Gruppen (zum Beispiel durch Herkunft, Kultur, Sprache oder Religion).
Fremdenfeindlichkeit richtet sich zunächst auf den Status der fremden Nationalität, verfestigt dieses Merkmal des Zugewandertseins aber im Laufe der Zeit durch zugeschriebene, negative Eigenschaften, die für die Betroffenen über Generationen spürbar sein können.
Während Rassismus im engeren, biologisch argumentierenden Sinn auf der vermeintlich unabänderlichen Zuschreibung von Merkmalen beruht, kann eine fremdenfeindliche Haltung sich mit der Zeit verändern. Ehemals als fremd empfundene Menschen und Gruppen verlieren dann ihr Stigma und werden nun als «aufgenommen» und «ansässig» wahrgenommen.
Heteronormativität
beschreibt eine Weltanschauung und ein gesellschaftliches Wertesystem, das nur zwei Geschlechter («männlich» und «weiblich») und heterosexuelle Beziehungen zwischen diesen Geschlechtern anerkennt und als normal ansieht. In einer heteronormativen Gesellschaft werden an alle Menschen soziale Erwartungen gerichtet, wie sie als Männer und Frauen miteinander leben sollen. Menschen werden in dieser Vorstellung entweder als Mann oder Frau geboren (und dementsprechend erzogen) und gehen nur mit dem jeweils anderen Geschlecht sexuelle Beziehungen ein. Menschen, die nicht in diese zweigeschlechtliche Ordnung passen, weil sie sich beispielsweise als non-binär, trans oder inter identifizieren und/ oder keine heterosexuellen Beziehungen haben, werden als «anders» und «nicht normal» wahrgenommen und beschrieben.
Inter
(lat. für «dazwischen», veraltet: «intersexuell») bezeichnet Menschen, deren körperliches Geschlecht (beispielsweise die Genitalien oder die Chromosomen) nicht der medizinischen Norm von eindeutig «männlichen» oder «weiblichen» Körpern zugeordnet werden kann, sondern sich in einem Spektrum dazwischen bewegt. Bis heute werden inter Kinder nach der Diagnose zu einem (meistens dem weiblichen) Geschlecht umoperiert mit teilweise erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen und psychischen Problemen.
Intersektionalität
beschreibt die Überschneidung und das Zusammenwirken von verschiedenen Diskriminierungsformen. Menschen vereinen verschiedene Eigenschaften und Identitäten in sich. Intersektionalität berücksichtigt, dass Menschen oft wegen mehrerer Eigenschaften / Identitäten benachteiligt werden. So kann eine lesbische gehörlose Schwarze Frau wegen ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung, ihrer race und ihrer Behinderung (Ableismus) gleichzeitig und auf unterschiedliche Weise diskriminiert werden.
Islamophobie/Islamfeindlichkeit
bezeichnet die Abwertung und Ausgrenzung von Muslim*innen (und Menschen, die für Muslim*innen gehalten werden), ihrer Kultur und ihrer öffentlich-politischen sowie religiösen Aktivitäten. Die Feindlichkeit gründet sich auf bestimmten Zuschreibungen gegenüber «dem Islam» als rückschrittlich, antidemokratisch und gewalttätig. Zweitrangig ist dabei, ob es sich bei den Betroffenen tatsächlich um praktizierende Muslim*innen handelt oder nicht.
Klassismus
meint die Diskriminierung aufgrund der sozialen Herkunft und / oder der sozialen und ökonomischen Position. Klassismus richtet sich mehrheitlich gegen Personen mit geringem sozialem und ökonomischem Kapital.
Kolonialismus
bezeichnet eine europäische Expansionspolitik zwischen dem 15. und 20. Jahrhundert, die auf der Eroberung, Kontrolle und ökonomischen Ausbeutung von aussereuropäischen Gebieten und deren Zwangsintegration in ein globales kapitalistisches Wirtschafts- und Gesellschaftssystem fusste. Auch nach dem offiziellen Abzug der Kolonialmächte im Verlauf des 19. und 20. Jahrhunderts strukturiert das koloniale Erbe als Wissens-, Herrschafts- und Gewaltsystem bis heute internationale Handelskreisläufe und gesellschaftliche Wertesysteme. Kolonialistische Herrschaft ist hauptverantwortlich für die Auslöschung nicht europäischer, nicht weisser Wissensbestände und anhaltenden strukturellen Rassismus. Wie aktuelle Forschungsarbeiten zeigen, besass die Schweiz zwar keine kolonialen Territorien, war aber durch zahlreiche wirtschaftliche Verbindungen lukrativ in den globalen Handel mit Kolonialwaren und versklavten Menschen verstrickt, der wesentlich zum gegenwärtigen Wohlstand des Landes beigetragen hat.
Kulturelle Aneignung
bedeutet, dass Menschen aus der Dominanzgesellschaft Frisuren, Kleidungsstücke oder andere Aspekte einer marginalisierten Kultur zu ihrem eigenen Nutzen übernehmen, ohne dabei den Wert der jeweiligen Kultur zu respektieren. Beispiele dafür sind, wenn weisse Kinder sich zur Fasnacht mit dem Kopfschmuck indigener Kulturen verkleiden oder H&M traditionelle textile Muster vom afrikanischen Kontinent kommerziell vermarktet. Oft kommt kulturelle Aneignung weissen Menschen zugute. So gelten weisse Menschen mit afrikanischen Frisuren als kosmopolitisch und offen, während Schwarze Menschen, die Braids oder Locs tragen, beispielsweise bei Bewerbungsgesprächen als unprofessionell markiert werden können.
LGBTQIA+
ist eine Abkürzung für die englische Bezeichnungen Lesbian, Gay, Bisexual, Trans, Queer, Inter, Asexual, and More (+). Zu Deutsch: lesbische, schwule, bisexuelle, trans, queer, inter, asexuelle Personen und mehr. Es sind je nach Kontext verschiedene Formen des Kürzels in Gebrauch (vgl. LGBT, LGBTQI*, etc.).
Marginalisierung
bezeichnet die Verdrängung von Individuen oder Gruppen an den Rand der Gesellschaft. Die Verdrängung kann auf verschiedenen Ebenen erfolgen, also zum Beispiel geografisch, wirtschaftlich, sozial oder kulturell sein; meist spielt sie sich auf mehreren Ebenen ab.
Migrantisierung
verweist auf den Prozess, in dem Menschen mit oder mit einer ihnen zugeschriebenen Migrationsgeschichte von einer Dominanzgesellschaft zu «Migrant*innen» gemacht und damit stereotypisiert und «verandert» werden (vgl. Othering).
Mikroaggressionen
sind verbale oder nonverbale alltägliche Äusserungen oder Handlungen, die teilweise bewusst, teilweise unbewusst das Gegenüber aufgrund einer bestimmten angenommenen Gruppenzugehörigkeit herabsetzen oder verletzen. Zum Beispiel wenn eine Person abrupt die Strassenseite wechselt, weil ihr eine Person of Color entgegenkommt, oder wenn eine Person für ihre Kenntnisse der Amtssprache des Wohnsitzlands gelobt wird, obwohl sie dort geboren ist.
Non-Binarität
benennt die Geschlechtsidentität von Menschen, die sich nicht oder nur teilweise mit dem männlichen oder weiblichen Geschlecht identifizieren. Non-binäre Menschen verzichten ganz auf ihre Pronomen («er»/«sie») oder nutzen selbstgewählte. Statt eines binären Pronomens kann beispielsweise das englische «they» verwendet oder einfach der Vorname wiederholt werden: «Als Noa gestern ins Bett fiel, schlief Noa sofort tief ein.» Mitterweile werden auch im Deutschen oft die englischen Pronomen they/them verwendet.
Othering
(dt. «Veranderung») bezeichnet den Vorgang, wenn eine Gruppe oder Person sich von einer anderen Gruppe abgrenzt, indem sie die nicht eigene Gruppe als «anders» und «fremd» beschreibt. Dies geschieht meist innerhalb eines Machtgefälles: Die als «anders» Beschriebenen sind von Diskriminierung betroffen und haben kaum Möglichkeiten, sich gegen die Zuschreibung zu wehren.
Patriarchat
bezeichnet ein gesellschaftliches Dominanzverhältnis, das auf einer heteronormativen Zweigeschlechtlichkeit und stereotypen Geschlechterbildern von «Mann» und «Frau» basiert und Männer und Frauen in gesellschaftlichen, ökonomischen, sexuellen und interpersonellen Verhältnissen unterschiedlich positioniert. Patriarchale Denkmuster liefern den praktischen Kontext sowie die Bedeutungszusammenhänge sexistischer Ungleichheiten und erhalten diese aufrecht.
People of Color (PoC)
(im Singular Person of Color) ist eine Selbstbezeichnung von Menschen, die Rassismus erfahren. In dieser Bedeutung wird der Begriff seit der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung in den 1960ern verwendet. Als Wiederaneignung und positive Umdeutung der abwertenden Zuschreibung «colored» beschreibt People of Color ein solidarisches Bündnis von unterschiedlichen Communities, die strukturelle Ausschlusserfahrungen aufgrund von Rassismus machen.
Mit Bezug auf diese solidarische Idee verwenden in den letzten Jahrzehnten verstärkt auch marginalisierte Communities in der Schweiz und anderen Ländern des Globalen Nordens die Selbstbezeichnung People of Color, um auf gemeinsame Rassismuserfahrungen zu verweisen. Mit dem Begriff grenzen sie sich bewusst von Bezeichnungen wie «Migrant*in» bzw. «Migrationshintergrund» ab, die den sprachlichen Fokus auf die Migrationserfahrung legen und nicht den erlebten Rassismus thematisieren. Da nicht alle Menschen mit Migrationsgeschichte Rassismus erfahren (zum Beispiel weisse Migrant*innen aus bestimmten EU-Ländern) und viele Menschen Rassismuserfahrungen machen, die statistisch keinen Migrationshintergrund haben (statistisch besteht Migrationshintergrund nur für Eingewanderte und ihre Nachfahren der ersten und zweiten Generation), ist der Begriff in Bezug auf das Thema Diskriminierung wenig aussagekräftig.
Der Begriff PoC beschreibt, ähnlich wie Schwarz oder weiss, keine Hautschattierungen. Es geht um die Marginalisierung aufgrund von Rassismus. In Europa zählen daher unter anderem Menschen aus der afrikanischen, asiatischen oder lateinamerikanischen Diaspora dazu. Dabei spielt ein eurozentrischer Blick eine Rolle, der eine Folge des einstigen, nicht aufgearbeiteten europäischen Kolonialismus ist.
«Of color» kann im Deutschen als Genitivattribut oder als Adjektiv verwendet werden, zum Beispiel so: «Sie ist eine Schauspielerin of Color»; «Mein bester Freund ist of Color».
Pronomen
Das männliche Pronomen «er» und das weibliche «sie» ersetzten den Namen einer Person im Sprechen. Personen, die sich weder dem männlichen noch weiblichen Geschlecht zugehörig fühlen, verzichten ganz auf ihr Pronomen oder nutzen ein selbstgewähltes. Um eine Person mit dem richtigen Pronomen anzusprechen und ihr nicht automatisch aufgrund einer Vorannahme eines zuzuschreiben, mit dem sie sich möglicherweise nicht identifiziert (so genanntes «Misgendering»), ist es ein Zeichen von diskriminierungssensiblem Bewusstsein, eine Person nach ihrem Pronomen zu fragen.
Queer
ist eine Selbstbezeichnung von Menschen, die eine Vielfalt an sexuellen und romantischen Orientierungen und Geschlechtsidentitäten jenseits der cis-hetero-Norm leben und verteidigen. Queerness steht für ein politisches Mindset, das aus jahrzehntelangem aktivistischem Widerstand und Theoriebildungen entstanden ist und Binaritäten als solche grundsätzlich infrage stellt.
race
«Rasse» und race bedeuten im deutschen Sprachgebrauch nicht dasselbe. Anstelle des veralteten Begriffs «Rasse» wird in diskriminierungssensibler Sprache der englische Begriff race verwendet, um kenntlich zu machen, dass es sich bei Kategorisierungen aufgrund unterschiedlicher Phänotypen um ein Konstrukt handelt. Während also der Begriff «Rasse» den Eindruck erwecken kann, es gäbe tatsächlich biologische Rassen, erinnert uns der Begriff race daran, dass es sich um menschengemachte Kategorisierungen handelt.
(Struktureller bzw. institutionell Rassismus er)
ist ein historisch gewachsenes Herrschafts- und Gewaltsystem, das eine pseudowissenschaftlich konstruierte Hierarchie zwischen Menschen unterschiedlicher Hautschattierungen und ethnischer und/oder religiöser Zugehörigkeiten etabliert und aufrechterhält. Rassismus ist die ideologische Grundlage für die Legitimierung des transatlantischen Sklavenhandels im Rahmen europäischer Kolonialisierungsprozesse, die mit der Besetzung aussereuropäischer Territorien im 15. Jahrhundert begannen und bis heute verantwortlich sind für eine weltweite strukturelle Ungleichbehandlung nicht weisser rassifizierter Menschen. Die Begriffe «struktureller bzw. institutioneller Rassismus» beziehen sich in diesem Sinne nicht auf rassistische Interaktionen zwischen Individuen, sondern verweisen auf Diskriminierungen, die in gesellschaftlichen Strukturen, Institutionen, Routinen und Abläufen verankert und rechtlich legitimiert sind und Ausschlüsse und Benachteiligungen von BIPoCs auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt, im Bildungs- und Gesundheitswesen erzeugen und zu mangelnder Repräsentation in Medien, Kunst und Politik führen.
Safer Space
meint aktiv hergestellte Räume und Räumlichkeiten, in denen sich Menschen mit Diskriminierungserfahrungen möglichst sicher fühlen dürfen und keinen Marginalisierungen, Beleidigungen oder Belästigungen ausgesetzt sind. Voraussetzungen für die Etablierung eines solchen Ortes sind achtsames, diskriminierungskritisches Verhalten, eine ebensolche Gesprächskultur sowie geteilte Diskriminierungserfahrungen. Um zu kennzeichnen, dass es keine komplett macht- und herrschaftsfreie Räume geben kann, sondern bloss das Anliegen, Orte möglichst diskriminierungsarm zu gestalten, sprechen wir von «safer» statt von «safe spaces».
Schwarz
mit grossem S bezeichnet keine Farbe oder Hautschattierung, sondern ist eine politische Selbstbezeichnung von Menschen mit Rassismuserfahrungen. Um den Unterschied zwischen dem Farbadjektiv und der Selbstbezeichnung zu markieren, wird «Schwarz» mit grossem S geschrieben.
Selbstbezeichnung
ist ein Begriff, den eine marginalisierte Gruppe für sich selbst wählt im Gegensatz zu einer «Zuschreibung», also einem Begriff, den die Dominanzgesellschaft benutzt, um über die marginalisierte Gruppe zu sprechen. Eine Selbstbezeichnung ist empowernd und vermittelt ein positives Wir-Gefühl. Eine Zuschreibung hingegen markiert eine Gruppe oder Person oft als «anders» oder «fremd» (Othering). Oft dauert es lange, bis Selbstbezeichnungen sich durchsetzen. Ein Beispiel für eine Selbstbezeichnung ist Person of Color oder Schwarz mit grossem S.
Sexismus
bezeichnet die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. In einer männlich dominierten patriarchalen Gesellschaft zeigt sich Sexismus jedoch vor allem in der Abwertung und Marginalisierung von Frauen, trans Personen und Weiblichkeit im Allgemeinen. (Cis-)Männlichkeit wird hier als Norm verstanden, an der alles gemessen wird. Der Begriff Sexismus stammt aus dem Englischen. Im deutschen Kontext gibt es oft das Missverständnis, Sexismus beziehe sich vor allem auf diskriminierende Handlungen, die auf Sexualität bezogen sind, wie etwa sexuelle Belästigung. Obwohl diese Formen der sexualisierten Gewalt auch Ausdruck von Sexismus sind, bezeichnet der Begriff jedoch ein sehr viel weiteres Spektrum geschlechtsbezogener Diskriminierung, etwa, dass Frauen im Durchschnitt weniger verdienen.
trans(gender)
(lat. für «jenseits», «hinüber», veraltet: «trans- sexuell») bezeichnet Geschlechtsidentitäten, die sich nicht oder nur teilweise mit dem ihnen bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren. Trans Menschen können sich als männlich oder weiblich, aber auch ausserhalb des binären Geschlechtersystems identifizieren, also zum Beispiel als non-binär, agender oder genderfluid.
Triggerwarnungen
werden im Kontext von Aufführungen eingesetzt, um Zuschauer*innen vor allfällig verstörenden und/oder verletzenden Thematiken im Vorfeld zu warnen. Trigger (engl. für «Auslöser») sind Reize, die bei Menschen mit traumatischen Erlebnissen das ursprüngliche Trauma wieder auslösen können. Um dies zu verhindern, werden explizit inhaltliche Warnungen gemacht, ohne dabei den kompletten Inhalt oder die Handlung der Aufführung vorwegzunehmen.
weiss
beschreibt eine soziale Position und die Privilegien, die weissen Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe zugeschrieben werden, und hat nichts mit der tatsächlichen Farbe der Haut zu tun. Je nach gesellschaftlichem Kontext unterscheidet sich, wer als weiss zählt. Zum Beispiel kann eine Person mit türkischer Herkunft in der Schweiz als Person of Color wahrgenommen werden und fremdenfeindliche Erfahrungen machen, während sie in der Türkei als weiss gilt und gesellschaftliche Privilegien besitzt. Um die Konstruktion des Begriffs hervorzuheben, wird weiss oft kursiv und klein geschrieben.
weisse Privilegien
Je weniger Diskriminierungen eine Person erfährt, desto privilegierter ist sie. Weisse Privilegien beschreiben die Vorteile, die weisse Menschen in einer Gesellschaft haben, zum Beispiel vereinfachte Zugänge zum Arbeits- und Wohnungsmarkt, zum Bildungs- und Gesundheitswesen und in der Repräsentation in Politik, Kultur und Medien (struktureller bzw. institutioneller Rassismus).
white fragility
meint die abwehrenden oder verdrängenden, teilweise aggressiven Reaktionen von weissen Menschen, wenn sie von einem nicht weissen oder weissen Gegenüber mit dem eigenen Rassismus konfrontiert werden.
white saviour
(«weisse*r Retter*in») meint ein Verhalten von weissen Menschen, das vermeintlich «weniger zivilisierten», weniger gebildeten, ökonomisch schwächer gestellten oder diskriminierten Menschen finanziell oder symbolisch «helfen» will, dabei aber die Kontinuitäten kolonialistischer Herrschaftssysteme nicht überwindet, sondern weiterleben lässt. Oft dienen solche Handlungen der Gewissensberuhigung privilegierter Menschen, gleichzeitig werden bestehende Vorurteile, stereotype Bilder und weisse Vorherrschaft bestätigt.
Redaktionsteam:
Fadrina Arpagaus, Yuvviki Dioh, Miriam Ibrahim, Laura Rivas Kaufmann, Laiya Sievi
Textnachweise:
Die Texte aus diesem Glossar speisen sich aus unterschiedlichen Quellen, die wir gerne nennen und denen wir danken möchten: Diversity Arts Culture, www.diversity-arts-culture.berlin; Diversum – Verein für rassismuskritisches Denken, www.verein-diversum.ch sowie das Glossar in Evein Obulor & Rosamag (Hg.): Schwarz wird großgeschrieben, 2021. Ein Teil der Texte sind Originalbeiträge für diese Publikation.
Das Glossar wurde unter anderem im Rahmen eines M2Act finanzierten Projekts ermöglicht.
Unsere Top 11 Leseliste
- Sara Ahmed: Feministisch leben!, 2017.
- Fatma Aydemir, Hengameh Yaghoobifarah (Hg.): Eure Heimat ist unser Albtraum, 2019.
- Meg-John Barker, Jules Scheele: Queer – eine illustrierte Geschichte, 2018.
- Kacen Callender: Felix ever after, 2020.
- Alice Hasters: Was weisse Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten, 2019.
- Elisa Liepsch, Julian Warner (Hg.): Allianzen. Kritische Praxen an weissen Institutionen, 2018.
- Tupoka Ogette: Exit Racism. Rassismuskritisch denken lernen, 2018.
- Patricia Purtschert, Barbara Lüthi, Francesca Falk (Hg.): Postkoloniale Schweiz. Formen und Folgen eines Kolonialismus ohne Kolonien, 2012.
- Emilia Roig: Why we matter. Das Ende der Unterdrückung, 2021.
- Mithu Sanyal: Identitti, 2021.
- Franziska Schutzbach: Die Erschöpfung der Frauen. Wider die weibliche Verfügbarkeit, 2021.