Bühne frei für: Die letzten Menschen.
erschienen am 17. Januar 2020
Auf der Grundlage von Ayn Rands Roman Atlas Shrugged (in der deutschen Übersetzung: Der Streik) will das Schauspiel Zürich also ein Stück inszenieren – eine tolle Idee! Allerdings: Ob man es sich dabei vielleicht allzu leicht macht? Wenn man Rands unkritische Verherrlichung des Kapitalismus etwa durch eine undifferenzierte Verteufelung des Kapitalismus konterkarieren würde, stände der progressive Theatermacher ungefähr auf dem gleichen Reflexionsniveau wie die reaktionäre Autorin. Die Vorstellung, dass die kapitalistische Gesellschaft das Reich des Bösen darstelle, ist ja wohl ebenso einseitig wie die Auffassung, dass die kapitalistische Gesellschaft die Achse des Guten verkörpere.
Geld und noch mehr Geld
Umso erfreulicher ist es, dass sich der Regisseur in seiner Arbeit von geistigen Tieffliegern jeglicher Sorte absetzt: Während auf der Musical-Bühne ein Zusammentreffen zwischen Vertretern der Bourgeoisie, der Arbeiterklasse, der Politik und der Kulturindustrie inszeniert wird, fragt sich der Zuschauer abermals, wer eigentlich die – sagen wir mal: niveaulosesten Figuren in dieser Vorführung sind: Der rücksichtslose Grossindustrielle? Der erfolgssüchtige Kleinbürger? Der egomanische Politiker? Oder gar der links-alternativ gesinnte Theatermensch, der sich mit schlichtem Gemüt gegen die Bourgeoisie respektive für das Proletariat ausspricht?
Des Regisseurs Pointe – so jedenfalls schien es dem Zuschauer: Alle Figuren – der Grossindustrielle wie der Kleinbürger wie der Politiker wie der Theatermensch – sind niveaulos. Sie alle sind ausschliesslich auf der Suche nach Geld, Glück und persönlichem Wohlbefinden; etwas anderes scheinen sie nicht im Kopf zu haben. Insofern hat der kapitalistisch orientierte Unternehmer in dieser Inszenierung letztlich genau das gleiche Ziel wie der kommunistisch orientierte Kulturschaffende, nämlich Geld und noch mehr Geld zu scheffeln, um sich damit die materialistische Vision eines Lebens in «comfort und fashion» (Nietzsche, Jenseits von Gut und Böse, 1886) zu verwirklichen.
Wo bleibt die Liebe zum Nächsten?
Geld regiert die Welt – das war nach dem Premiere-Abend klar. Zwar ist diese These alles andere als neu, mag man sich auf dem Nachhauseweg denken, in so klugem Gewand ist sie jedoch selten präsentiert worden. Erfrischend, auf solche Weise daran erinnert zu werden, dass es noch mehr geben könnte als das permanente Streben nach «comfort und fashion», ist doch dieses Streben eine ungemein monotone Angelegenheit: Wo beispielsweise bleibt da die Liebe zum Nächsten? Ein Schauspiel, das zur Reflexion über diese Frage anregt, ist eine im besten Sinne moralische Anstalt, finde ich.