Pause – und noch kein einziger Zwerg???? Betrug!
von Gion Mathias Cavelty
erschienen am 05. Dezember 2019
Ein Erfahrungsbericht über Schneewittchen für Erwachsene
1. Des Rezensenten Gedanken vor der Premiere des Stücks
• Warum eine Erwachsenenversion von «Schneewittchen»? Das Ding ist doch schon so oft durch den Kakao gezogen worden (-> Otto Waalkes etc.). Stichwort «Zipfelmütze», ha ha!
• Warum eine Erwachsenenversion von «Schneewittchen»? Das Märchen ist doch im Grunde bereits für Erwachsene.
• Bitte keine cheesigen Greta-Thunberg-Gags (heile Natur hinter irgendwelchen Bergen; Bedrohung dieser heilen Natur durch irgendetwas; toughes Girl zeigt allen, wo der Hammer hängt).
2. Des Rezensenten Beobachtungen und Gedanken während des 1. Teils der Aufführung
• Eine bärtige Grossmutter trällert – von einer Klampfe begleitet – ein Liedlein, das auch aus dem Repertoire von Reinhard Mey stammen könnte, dermassen sackmoralisch ist es nämlich («Wer so gewaltig irrt, soll sich gewaltig schämen», damit natürlich gemeint: Böse, böse Politiker und Co.).
• Ein Märchenonkel beschwert sich über die stinkenden, neureichen Zürcher Goofen, die ihn bei den Kindervorführungen immer anhusten. Ha ha, das ist witzig!
• Thunberg-Alarm! Ein Rotkäppchen mit Greta-Zöpfen tritt auf. Seine Message: Alle Menschen töten, weil sie den Wald zerstören (hat ja nicht allzu lange gedauert ...).
• Die böse Königin präsentiert sich in etwas, das wohl eine Art «sexy Outfit» sein sollte, trotzdem sieht sie echt scharf aus! (Darf man das so schreiben, anno 2019?)
• Ansonsten: leider weit und breit nichts, was die Bezeichnung «ab 16» rechtfertigen würde.
• Was sollen die schlappschwanzigen Anspielungen auf Roger Köppel und die Schweizer Banken? Eier zeigen, Leute!
• Alterndes Mitglied eines Königshauses ist eifersüchtig auf 7-jährige Schwiegertochter wegen deren Schönheit. Da hätte man sich doch bösartige, in Richtung Jeffrey Epstein und seine royale Kundschaft zielende Sachen ausdenken können. Hat man aber leider nicht.
• Beste Szene bis jetzt: Mitleid mit dem Ersatzopfer-Hirsch (Stichwort: «Vegane Hirschleber»).
• Wann kommen endlich die Zwerge?
• 21.04 Uhr: Pause – und noch kein einziger Zwerg???? Betrug!
3. Des Rezensenten Gedanken während der Pause
• Keine Erwähnenswerten.
4. Des Rezensenten Beobachtungen und Gedanken während des 2. Teils der Aufführung
• Yes! Die Zwerge sind da! Einer sagt «ficken» statt «stricken». Was soll das sein? Gewagt-verwegen? Au Backe.
• «Nur noch Geschrei und Klamauk», seufzt die Zuschauerin rechts von mir. Hm. Hat was.
• Im Wald ist Party. Und «Heidi Klum sucht das Supermodel». Der Wald soll begraben werden unter Büros und Luxuswohnungen. Warum nicht unter einem gewaltigen Pornokino-Komplex? Wir sind doch hier «ab 16».
• Happy-End/Doch kein Happy-End. Und das war's dann auch schon. Was «das» war? Kann mir vielleicht mal Zwerg Spürli verraten.
5. Des Rezensenten Gedanken auf dem Heimweg im 9er-Tram
• Wie hiess diese tolle tschechische Kinder-TV-Serie aus den 1980ern schon wieder, in der die Märchenwelt auf einmalig subversive Weise demontiert wird (das Märchenreich soll modernisiert werden, überall stehen plötzlich Autos herum, die Zwerge müssen in einen Wohnblock ziehen, etc.)? Ah ja: «Die Märchenbraut». Muss ich mir unbedingt wieder mal anschauen.