by Laura Rivas Kaufmann
published on 26. April 2022
Laura Rivas Kaufmann: Gab es Leute in deinem Umfeld, die kritisch reagiert haben, als sie erfuhren, dass du in einem Theaterstück über den Klimastreik mitspielst?
Lina Hasenfratz: Wenn es jetzt ein Theaterstück gewesen wäre, bei dem behauptet wird, dass es eins zu eins eine Darstellung der Klimabewegung ist, hätte das intern berechtigterweise wohl für viel Kritik gesorgt. Man kann eine so grosse und breite Bewegung nicht durch drei Figuren darstellen. Diesen Anspruch hat das Stück jedoch nicht.
Laura Rivas Kaufmann: Hast du das Gefühl das Stück ist noch immer zeitgemäss?
Lina Hasenfratz: Da haben wir bei den Wiederaufnahmeproben auch darüber geredet. Die Bewegung verändert sich extrem schnell. Deswegen gab es auch kleine Anpassungen in den Texten. Gleichzeitig haben wir gemerkt, dass nicht immer dieser Jetzt-Zustand beschrieben werden muss. Das Thema Klimabewegung, Klimagerechtigkeit bleibt aktuell. An welchem Punkt die Bewegung zur Zeit genau steht oder was genau die Menschen des Klimastreik Schweiz heute denken, das abzubilden ist nicht die Aufgabe eines Theaterstücks.
Laura Rivas Kaufmann: Wie hat sich deine Haltung zum Stück und deiner Rolle in diesen zwei Jahren verändert?
Lina Hasenfratz: Es gibt grosse Verwechslungsgefahr, da nicht nur der Name ähnlich ist, sondern auch die Person: Klimaaktivistin! Da hatte ich am Anfang fast ein bisschen Angst, dass mir die Rolle zu ähnlich ist. Aber mittlerweile konnte ich mich erfolgreich davon distanzieren. Das eine ist die Rolle, das andere ist der Aktivismus, den ich tatsächlich mache. Ich habe mich unabhängig von meiner Rolle persönlich weiterentwickelt. Gerade wenn man sich mit politischem Aktivismus auseinandersetzt, verändern sich Haltungen stetig ein bisschen und das ist auch gut so. Ich glaube mit Alina konnte ich mich am Anfang noch besser identifizieren als jetzt. Weil Alina auch eine Figur in der Anfangszeit des Klimastreiks darstellt und sich nicht schon mehrere Jahre damit auseinandersetzt. Was ich an der Rolle aber immer sehr schön gefunden habe und ich mir auch immer wieder eingestehen muss: Die Klimakrise darf ein emotionales Thema sein. Man muss es nicht immer als sachliche Diskussion verkaufen. Wenn Menschen die Klimakrise Angst macht und sie sie beschäftigt, dann sollen sie das auch zeigen dürfen. Man wirkt nicht automatisch professioneller, wenn man sich von den eigenen Emotionen nichts anmerken lässt.
Laura Rivas Kaufmann: Seit wann und in welcher Form bist du in den Klima-Aktivismus involviert?
Lina Hasenfratz: Das ist eine gute Frage, wann das so richtig angefangen hat. Vom allerersten Zürcher Klimastreik im Dezember 2019 hatte ich im Vorfeld nichts mitgekriegt. Im Zürcher Oberland, wo ich herkomme, hatte ich nicht wirklich ein politisches Umfeld. An meinem Gymnasium gab es jedoch Schüler*innen, die bereits in Zürich in der Klimastreik Bewegung aktiv waren. Am zweiten offiziellen Klimastreik in Zürich im darauffolgenden Januar habe ich dann auch teilgenommen. Anfangs gab es Klimademos nur in den grossen Städten. Ziemlich schnell kam dann auch die Idee auf, dass man Lokalgruppen macht. Da bin ich dann richtig aktiv geworden. Als erstes haben wir in Wetzikon und anderen Orten im Oberland eine Klima Demo organisiert. Dort haben wir gemerkt, dass auch viele Erwachsene und auch Familien mit kleinen Kindern mit dabei waren. So wurde mir bewusst, dass auch in der Agglomeration Potenzial da ist: Leute die auf die Strasse gehen würden oder in Arbeitsgruppen verschiedene Sachen verfolgen würden. Seitdem gibt es diese Klima Gruppe im Oberland. Ich muss aber auch sagen, dass ich dann ziemlich schnell einen «Shift» gemacht habe. Ich war bald vor allem in der Stadt Zürich aktiv, da dort die Bewegung grösser ist. Es gibt mehr Arbeitsgruppen und du kannst dich besser spezialisieren.
Laura Rivas Kaufmann: Was kann ein Theaterstück was Aktivismus nicht kann?
Lina Hasenfratz: Es kann Menschen mit dem Thema konfrontieren, die das von sich aus nicht tun würden. In den Schulklassen haben die Schüler*innen nicht die Wahl es anzuschauen. Dadurch hast du auch Menschen dabei, die das nicht so toll finden. Es ist wichtig, ab und zu mit Menschen konfrontiert zu sein, die Schwächen sehen. Mich interessiert es sehr, was junge Menschen, die sich noch nicht so mit Klimapolitik auseinandergesetzt haben, von diesem Stück halten.
Laura Rivas Kaufmann: Wie ist eigentlich das Verhältnis unter euch Spielenden privat?
Lina Hasenfratz: Wir haben uns erst später kennengelernt, da die Rolle durch mich neu besetzt wurde. Aber ich finde dadurch, dass wir diese Aufführungen zusammen haben, wo man gemeinsam nervös ist, gemeinsam unterwegs ist zu diesen Schulhäusern, ist sehr schnell eine Verbindung entstanden. Zum Thema Klimastreik haben wir nicht alle dieselbe Haltung und es ist spannend vor oder nach den Vorstellungen über politische Themen zu diskutieren.
Laura Rivas Kaufmann: Inwiefern hat sich der Klimastreik verändert? Was ist deine Wahrnehmung?
Lina Hasenfratz: Ich denke da kann man nicht für den ganzen Klimastreik sprechen. Es geht mehr um einzelne Personen, die sich in unterschiedliche Richtungen entwickelt haben. Nach zwei Jahren mit konventionellen Klimastreiks, gibt es Personen, die davon wegkommen. Leute die finden, wir haben es probiert und konnten gut mobilisieren, aber wir haben noch nicht die nötigen Veränderungen hervorgebracht. Und somit kommen Fragen auf: Wie weiter? Und da gibt es verschiedene Richtungen: Das Projekt Strike for Future, welches sagt «kommen wir mal weg vom klassischen Schulstreik, weil es geht ja darum am Schluss alle an Bord zu haben, damit wir gesellschaftliche Veränderungen hervorbringen und Probleme intersektional anschauen können». Natürlich wird auch oft nach der Radikalität gefragt, wobei es auch hier verschiedene Haltungen gibt. Leute die zivilen Ungehorsam unterstützen oder andere die finden, dass das aus historischer Perspektive die gewünschten Ziele genauso wenig erreicht hat. Die Klimastreikbewegung ist vielfältig und ich sehe es als Stärke, dass man an unterschiedlichen Punkten zeitgleich ansetzt und nicht nur auf eine Strategie vertraut. Um der Klimakrise entgegenzuwirken, kann man sich nie ausruhen.