Tout Ensemble
Weil diese Spielzeit die letzte der derzeitigen Intendanz ist, ist sie eine besondere. Sie markiert ein Ende und viele (Neu-)Anfänge zugleich und wir würden sie auch deswegen gerne nutzen, um noch einmal unser Ensemble vorzustellen; ähnlich wie auf der Rückseite der Monatsspielpläne der vorletzten Spielzeit oder der Serie Hyperlinks aus der Corona-Zeit. Tout Ensemble ist eine Fortsetzungsgeschichte: im Verlauf der Spielzeit wächst dieser Beitrag, und die Ensemblemitglieder reagieren assoziativ auf das, was vorher kam. Inhaltlich und stilistisch sind keine Grenzen gesetzt.
erschienen am 09. Mai 2024
Sasha Melroch
Seit der Spielzeit 22/23 ist Sasha Melroch Mitglied im Ensemble vom Schauspielhaus Zürich. Sasha spielte in Inszenierungen wie Riesenhaft in Mittelerde oder Pinocchio mit, und ist auch in dieser Spielzeit häufig auf der Bühne zu sehen. Unter anderem in Der Sturm von Wu Tsang und Moved by the Motion und noch wenige Male in Gier von Christopher Rüping, Last Night a DJ Took My Life von Joana Tischkau und Blutstück von Leonie Böhm. Der Beitrag von Sasha zur Reihe Tout Ensemble ist ein vorgelesener Auszug aus dem Buch "Lettres à Nelson Algren" von Simone de Beauvoir. Wir hören einen Brief über Marseille, eine Stadt, die auch für Sasha als Rückzugsort zu Beginn des Sommers eine wichtige Rolle spielt. Neben dem Auszug aus "Lettres à Nelson Algren", teilt Sasha ausserdem einige Lieder, die they oft in Marseille hört.
Khaled and I AM - Oran Marseille
Destiny's Child - Independent Women, Pt. 1
13 Organisé - Je suis Marseille
Perle Palombe
Perle Palombe ist seit vielen Jahren Mitglied der Tanzkompanie von Trajal Harrell, die seit einiger Zeit offiziell Trajal Harrell / Schauspielhaus Zürich Dance Ensemble heisst. Gemeinsam mit Trajal Harrell und weiteren Tänzer*innen präsentierte Perle Palombe Arbeiten wie The Köln Concert, The Romeo, Das Haus von Bernarda Alba und zuletzt Tambourines in Zürich und auf der ganzen Welt. Monkey off My Back or the Cat's Meow war eine obskure Versammlung schillernder Charaktere in den weiten Dimensionen der Schiffbau-Halle, und aus dieser Arbeit stammt auch das Lied, das Perle Palombe im Rahmen des Tout Ensemble Formats präsentiert und kontextualisiert. Sie teilt Erinnerungen an die ersten Tage als Ensemble-Mitglied in Zürich und zugleich Gedanken zum bevorstehenden Abschied.
Michael Neuenschwander
Michael Neuenschwander ist seit der Spielzeit 2010/11 festes Ensemblemitglied am Schauspielhaus Zürich und stand zudem für zahlreiche Film- und Fernsehproduktionen vor der Kamera, wie etwa für Nachbeben von Stina Werenfels (2006), Grounding – Die letzten Tage der Swissair von Michael Steiner (2006), 180° – Wenn Deine Welt plötzlich Kopf steht von Cihan Inan (2010), Dead Fucking Last von Walter Feistle (2011), Der Goalie bin ig von Sabine Boss (2013), Fast alles von Lisa Gertsch (Gewinner des Silver Student Academy Award 2018), A Forgotten Man von Laurent Nègre, für den er letztes Jahr in der Kategorie Bester Darsteller für den Schweizer Filmpreis nominiert war und vor kurzem auch, gemeinsam mit Ensemblemitglied Lena Schwarz, für Electric Fields von Lisa Gertsch, der am Filmfestival Max Ophüls Preis als Bester Spielfilm 2024 und für das Beste Drehbuch ausgezeichnet wurde.
Im Rahmen von Tout Ensemble möchte Michael Ihnen, liebes Publikum, diesen sowie weitere Filme ans Herz legen und liest einen Text seines Lieblingsessayisten John Berger vor:
Schauen Sie sich alle Filme mit Sandra Hüller an - ganz dringend Zone of Interest. Schauen Sie sich den neusten Film von Frédéric Mermoud an: La Voie Royale, der in der Rubrik Spielfilm für den Schweizer Filmpreis nominiert ist, und den letzten Film von Lisa Gertsch, der in der Rubrik Abschlussfilm für den Schweizer Filmpreis nominiert ist - Electric Fields. Lisa Gertsch hat übrigens auch einige der Trailer für Inszenierungen am Schauspielhaus gedreht, unter anderen für Antigone in Butscha (am 7. April noch ein letztes Mal auf der Pfauenbühne zu sehen), jetzt, jetzt, jetzt, Border und Liebes Arschloch.
Und ich möchte Ihnen einen Text meines bevorzugten Essayisten John Berger vorlesen, in dem er Vorgänge an seinem Wohnort in Frankreich beschreibt, die ich aus eigener Erfahrung in meinem Garten in Frankreich, wenn nicht genau gleich, doch ähnlich sehr gut kenne, und die ich zwar nicht unbedingt schätze, doch unter keinen Umständen missen möchte, denn schliesslich erinnern sie mich an meine ländliche Herkunft. John Berger verhandelt ausserdem in diesem Text ein Phänomen, das Theaterschaffende täglich begleitet - Vergänglichkeit. Er verwandelt die Kränkung der Vergänglichkeit in Literatur, und Literatur ist eine wichtige Triebkraft für meine Arbeit.
Eine Fuhre Scheisse von John Berger.
Matthias Neukirch
Sorry, muss leider den Playlist-Flow unterbrechen, nicht dass ich nicht auch eine hätte; auf meinem YouTube-Kanal eingerichtet. Die will ich aber niemandem zumuten, denn ich höre Musik fast ausschliesslich um zu Tanzen, dann meist laut, oder im Theater, da es dort nicht ohne Musik geht. Ich schaffe es kaum, mich ruhig hinzusetzen und für mich Musik zu hören. Auch nicht beim Laufen durch den Wald oder auf dem Weg zur Arbeit, höchstens im Auto, aber dann auf der Autobahn . Das hat nix mit Generation zu tun, denn als ich jung war, sind die Leute auch schon mit Walkman und ohne mich durch die Gegend gerannt.
In den sozialen Medien bin ich nicht vertreten oder bei bei Facebook, Twitter, Instagram oder TikTok angemeldet. Ein Grund dafür ist, dass ich schon bei meinen realen Sozialbedürfnissen ein Defizit verspüre – also Essenseinladungen, Kaffeeplausch, Unternehmungen, kurz Freundschaftspflege – und ich deshalb gar nicht wüsste, woher die Zeit für einen zusätzlichen digitalen Austausch nehmen soll:
Vielleicht ist das auch das Privileg, Theaterschauspieler sein zu dürfen. Die reale direkte Reaktion des Publikums während der Vorstellung zu erleben, kann man mit einem Kommentar oder Reaktion auf einen Instagram-Post nicht vergleichen
Die regelmässige Überwindung, mich dem realen Publikum auszuliefern, gehört zu meiner Arbeit und kostet Kraft. Die Erleichterung nach der Vorstellung, es wieder getan und geschafft zu haben, ist gross und ich bin deshalb zu müde, mich für digitiale Begegnungen zu öffnen, was für jüngere Kolleg*innen selbstverständlich ist. Wer aber tatsächlich konkret etwas über mich erfahren will, der kann das live bei einem Besuch der Vorstellung von Hans Schleif in der Kammer des Pfauen in meiner Rolle als Matthias Neukirch mit einem anschliessenden dreidimensionalen Gesprächsangebot – die nächsten Termine sind am 2. und 3. April und ich freue mich auf die Begegnung.
New Kyd
Ein gemeinsamer Nenner scheint sich in der "Tout Ensemble"-Reihe herauszukristallisieren: auch New Kyd, die im Februar gemeinsam mit dem Schauspielhaus Zürich Dance Enesemble in Trajal Harrells Tambourines zu sehen ist, teilt einen DJ-Mix, verschiedene Songs aus der eigenen Playlist, eine Reading List, und die Videodokumentation einer Performance.
New Kyd - always mad during the holidays mix 01’ auf Soundcloud
Songs, die in letzter Zeit in Rotation laufen, sind:
Ausserdem:
eine Reading List
und ein Video.
Vincent Basse
Vincent Basse ist in dieser Spielzeit in einigen Inszenierungen zu sehen, in denen auch er seinem Ensemblekollegen Lukas Vögler begegnet, unter anderem in Schneewitchen Beauty Queen oder Riesenhaft in Mittelerde. Grund genug, dass er die Tout Ensemble-Reihe fortsetzt. Demnächst ist Vincent Basse ausserdem noch in Blutstück (wieder mit u.a. Lukas Vögler) und in Joana Tischkaus Last Night a DJ Took My Life zu sehen, und von Themen dieser Inszenierung hat er sich für seinen Beitrag inspirieren lassen: unter dem Alias DJ Fragil steuert er einen DJ-Mix bei, gefüllt mit mehr als zwei Stunden Eurodance. Wir wünschen viel Vergnügen beim Anhören.
Lukas Vögler
Was würdest du sagen, wenn du darum gebeten werden würdest, etwas über dich zu erzählen, um anderen Menschen die Möglichkeit zu geben, etwas über dich zu erfahren?
Keine Ahnung? Ich auch nicht!
Persönlich persönlich persönlich... Ich finde ja eine Unterhaltung, eine Begegnung kann schon sehr viel persönlicher sein. Wenn du also etwas über mich erfahren willst, dann lass einander kennenlernen. Ich hol dich ab und wir gehen mit meinem Hund Frida in der Allmend spazieren. Ich lad dich bei Richi's Kiosk auf ne Kleinigkeit ein, Du kannst mich fragen was du willst und ich werde versuchen dir ehrlich zu antworten, und nach spätestens fünf Minuten werde vielleicht nur noch ich die Fragen stellen, ohne das du es merkst, weil ich eben auch super neugierig bin. Aber vielleicht erzählen auch die Fragen, die ich dir stelle, letztlich etwas über mich.... Let's see! Melden kannst du dich gerne bis am 21. Januar via kommunikation [at] schauspielhaus.ch.
Kay Kysela
Die Playlist von Steven Sowah lässt Kay Kysela in Erinnerungen schwelgen: an sein Zürich, im Verlauf der Jahreszeiten. Haltet Ausschau, wenn ihr demnächst in der Stadt unterwegs seid: vielleicht entdeckt ihr Kay auf seinem Velo, irgendwo zwischen den Kreisen.
1. Sun Ra - Space is the Place
Samstagmorgen. Frühsommer. Leicht verkatert aufstehen und sich ein überteuertes Gipfeli und Kaffi bei John Baker holen. Leider geil. Danach auf den Xenix Flohmarkt. Total überfordert mit so einer grossen Auswahl. Ich merke, dass ich etwas mehr damit beschäftigt bin, die Menschen zu beobachten, als wirklich etwas zu kaufen.
Nach Vorproben im Pfauen mit dem Velo nach Hause fahren und bei der Rentenwiese zwischenstoppen. Kleine Kreise mit Menschen, die Volleyball, Fussball oder Kubb spielen. Zwischen den Booten durchschwimmen, abtauchen und den Rotoren der Schiffe lauschen. Beim Kiosk eine Rakete (für mich bestes Eis) zocken und durch den Ulmbergtunnel (der mit dem funky Boden) nach Wiedikon fahren.
Herbst. Mit Freund*innen und Pingpongschläger sich beim Aemtlerschulhaus treffen. Hoffen, dass man einer der guten Tische kriegt - die mit der glatten Oberfläche. Wenn es regnet, wechseln wir zum Schulhaus beim Bullingerplatz, weil es da überdacht ist. Danach alle zu Pho50 beim Helvetiaplatz und vegane Pho schlürfen. Yammi.
4. Lil Yachty - the BLACK seminole.
Corona Lockdown. Alles steht still. Mit Love ganz Zürich auf unseren Fahrrädern durchforschen. Durch jeden Wald gelatscht, bei Regen, Wind und Sonne. Nichts ist zu weit. Alles ist möglich. Sonnenuntergänge auf dem Käferberg und der Hardbrücke. Deine Stimme für immer in meinem Ohr, deine Hand auf meiner und den Feuergeruch des Vortages noch in unseren Kleidern.
Aufstehen, Espresso schlürfen und direkt ins City Hallenbad. Meine kleine Heimat. Alle grüssen mich, als wären wir alte Freunde. Schulterkreisen am Beckenrand und ernstes Kopfnicken an vorbeigehende Sport(s)freund*innen. Speedos sind Standardprogramm. Scannerblick, in welcher Bahn am wenigsten Menschen schwimmen, um mich dann doch immer wieder für die Gleiche zu entscheiden - die ganz aussen rechts. Ohrstöpsel rein, einmal tief durchatmen und mit einem Kopfsprung ins kalte Blau.
6. Madilu System - Blessure d'amour
Unterer Letten. Nachmittags. Den Wagemutigen zuschauen, wie sie vom Betonpfeiler ins Wasser springen. Auf der Mauer balancieren, hoch zum Wasserkraftwerk. Sich treiben lassen. Danach ein Aperol Spritz bei Stazione Paradiso trinken und ab ins Nachtleben.
Wintertag. Es schneit. Sitze im Café Lang beim Limmatplatz und lerne Text. Du sitzt neben mir und scrollst auf deinem Handy. Zeigst mir immer mal wieder, was du Lustiges gefunden hast. Wir lachen. Ich bestell mir noch einen Cappuccino und versinke wieder in meinen Gedanken.
Und eine Zugabe: Fairouz - Sallimli Alayh فيروز- سلملي عليه
Frühling. Langer Spaziergang auf der Allmend mit Ensemble-Kollege Lukas Vögler und Hund Frida. Danach Käsetoast bei Richis Kiosk.
Steven Sowah
Inspiriert vom mäandernden low-fi Beat des Videos von Tabita Johannes, hat Steven Sowah sich dazu entschieden, eine Playlist derzeitiger Lieblingstracks zu Tout Ensemble beizusteuern.
1. Sun Ra - Space is the Place
4. Lil Yachty - the BLACK seminole.
6. Madilu System - Blessure d'amour
Und eine Zugabe: Fairouz - Sallimli Alayh فيروز- سلملي عليه
Tabita Johannes