Close Encounters
Eine Begegnung mit Douglas Adams
«Die Letzten ihrer Art»
erschienen am 19. Juni 2021
Wann haben Sie das letzte Mal ein wildes Tier gesehen? Wann den Atem angehalten, die Bewegungen verlangsamt und nichts anderes gespürt als den Moment der Betrachtung? In der Begegnung mit einem Tier, reagiert der Körper nach Instinkt. Für einen kurzen Moment wird die Umwelt zum Gegenüber und man spürt vielleicht etwas mehr von dem Anteil, den man selbst in diesem Ökosystem ausfüllt.
Gleichzeitig ist das Betrachten wilder Tiere ein Geschäft. Unsere Umwelt haben wir zur Natur gemacht, um sie zu konsumieren, indem wir für ein Wochenende in sie hineinfahren, sie geniessen und dann möglichst ordentlich hinterlassen. Je seltener, teurer und exotischer dabei das Naturerlebnis ist, desto zerstörerischer, exklusiver und ausbeuterischer ist meist die ökonomische Infrastruktur, die dahinter steckt.
Und so liest sich Douglas Adams Reisebericht Die Letzten ihrer Art zweischneidig. In den 1980er Jahren bereiste der britische Autor mit dem Biologen Mark Carwardine die entlegensten Winkel unseres Planeten, um aussterbenden Tierarten beim Aussterben zu zu sehen. Traurig ist das, und wahnsinnig komisch, denn Douglas Adams war einer der pointiertesten Autoren des 20. Jahrhunderts. In einer Zeit, in der der Erhalt der Biodiversität unsere beste Heilungschance bei drohenden Pandemien ist, scheint die Empathie, die Douglas Adams unseren nicht-menschlichen Mitwesen entgegenbringt, das Gebot der Stunde. Und dennoch: Es gibt kaum einen weisseren Blick als den der Safari Touristen, die sich darüber freuen, einen Berggorilla in der von ihnen sogenannten Wildnis zu Gesicht zu bekommen. Grosswildschutz im globalen Süden ist der lukrativste Umweltschutz und setzt dabei indirekt fort, was vor sechzig bis achtzig Jahren noch direkte koloniale Ausbeutung war.
Also lieber direkt zu den Tieren. Die fünf Produktionsassistentinnen des Schauspielhaus Zürich machten sich selbst auf die Suche nach aussterbenden Arten und begegneten dabei einem Lemuren, einer Flussdelfinin, einem Papagei, der nicht fliegen kann, einem Silberrücken, einer Komodowaranin und einem Falken, der sich weigert zu migrieren. Befreit aus dem tradierten Gehege des Reiseberichts streunen diese Gefährt*innen durch Zürich und durch das Theater und begegnen durch die Kamera der fünf Frauen nun Ihnen.
In regelmässigen Abständen werden hier bis zum Ende der Spielzeit die entstandenen Videoarbeiten publiziert.
aye-aye (a documentary) von Sultan Çoban
Folgen Sie dem nachtaktiven Lemuren Vincent Basse durch die Leere der Strassen des madagassischen Urwalds. Das Quaken der Frösche und Zirpen der Vögel rufen die Erinnerung an die Einsamkeit des pandemischen Winters wach, in dem die Welt das Haus war, in dem wir wohnten.
Baiji Flussdelfin von Natascha Zander
Ein Baiji wurde das letzte Mal 2007 in seinem natürlichen Lebensraum, dem Jangtsekiang gesichtet. Der längste Fluss Chinas ist ein Schlammfluss, in dieser trüben Umgebung hatte der Baiji über Jahrhunderte eine perfekte Echoortung entwickelt, die ihn trotz seiner fast blinden Augen einen kleinen Ring auf schlammigem Flussgrund aufspüren liess. Mit der Erfindung der motorisierten Schifffahrt wurde die Welt des Baijis jäh gestört, dass die Art an Orientierungslosigkeit ausstarb.
«Als ich dem Wind beim Kräuseln der galligen Jangtse-Oberfläche zusah, wurde mir mit schmerzhafter Deutlichkeit bewusst, dass irgendwo unter mir oder um mich herum intelligente Lebewesen, deren Wahrnehmungswelt wir uns nicht einmal andeutungsweise vorstellen können, in einer gärenden, vergifteten, betäubenden Welt leben und dass sie ihr Leben höchstwahrscheinlich in ständiger Verwirrung, ständigem Hunger, ständigem Schmerz und ständiger Furcht verbrachten.»
Aus Douglas Adams: Die Letzten ihrer Art
Eines Kakapos Reise ins Überland von Laura Weibel
Ein flugunfähiger Vogel, der zum Schutz der eigenen Art eingesperrt wird, wartet auf seinen ganz eigenen Moment der Freiheit.
Like Human von Maja Renn
Ein Mensch sieht ein Tier, beobachtet es aus der Distanz. Zögerlich, eine Annäherung – das Tier zieht sich zurück. Ausgehend von Douglas Adams Beschreibung seiner ersten Begegnung mit einem Silberrücken, einem Berggorillamännchen, folgt die Kamera der Verbindung von Mensch und Tier. Der Blick schweift über die Oberflächlichkeit der menschlichen Betrachtung und dringt in die genetischen Schichten der Haut ein. Am Ende steht Donna Haraways Frage, welche Fäden wir in der Hand halten und wie wir diese miteinander verbinden.
KOMODO Danger en voie de disparition von Leila Vidal-Sephiha
Aus der Dunkelheit erhebt sich ein Wesen. Ein Ungeheuer in den Augen der Menschen, eins mit Erde und Schlamm im Dickicht der Wurzeln. Langsam bahnt es sich seinen Weg durch den Wald bis es die ersten Ausläufer der Zivilisation erreicht. Doch was Ungeheuer schien, erlebt hier seinen eigenen Alptraum.
falcao punctatus (a performance) von Sultan Çoban
Scheinbar ist es Zeit zu gehen. Doch was, wenn man sich weigert wegzugehen von dem Ort, an dem man geboren wurde und aufwuchs? Der Falke falcao punctatus bleibt auf der Insel Mauritius, seinem angestammten Lebensraum. Anderes existiert woanders. Ja, daran glaubt auch er. Aber muss er wirklich wissen, wie es woanders ist? Muss er? Auch wenn er auf seiner Insel sterben muss?