Geschichten aus dem Wiener Wald
Pfauen
Premiere am 14. Januar 2012
In Ödön von Horváths bekanntestem Stück – 1931 uraufgeführt und in Zürich nicht mehr auf dem Spielplan seit 1964 – scheint sich die ganze Welt gegen eine junge Frau verschworen zu haben, die ausbrechen will aus der kleinbürgerlichen Enge und Spiessigkeit ihrer (Wiener) Umgebung. Marianne, Tochter eines „Zauberkönigs“, kann Dummheit nicht aushalten, sucht die grosse Liebe und büsst dafür. Karin Henkel (zuletzt „Viel Lärm um nichts“) inszenierte das Meisterwerk über Abhängigkeit, Sprachlosigkeit und emotionales Unvermögen.
„Karin Henkel hat mit dem Zürcher Ensemble eine Inszenierung erarbeitet, die dem Text äusserst aufmerksam folgt, ihn sorgfältig liest und präzise weiterspinnt. Was wir sehen, ist schlicht und ergreifend eine ungemein genaue Theaterarbeit, dicht und konzis, und dabei hinreissend komödiantisch. Dreierlei hebt Henkel dabei hervor: die Komik von Horváths Text, die Todesmotivik, von der er – genau besehen – ganz und gar gezeichnet ist, sowie seine Musikalität.“ Nachtkritik.de
„1964, man glaubt es kaum, ist Horváths in mehreren Fassungen überliefertes „Volksstück“ zuletzt in Zürich unter der Regie von Michael Kehlmann aufgeführt worden. Nun bringt Karin Henkel im Pfauen den Schweizern den ungarisch-österreichischen Dramatiker wieder nahe: eine formidable Regietat. Das Stück scheint wie gemacht für diese Regisseurin, die stark aus und mit der Musik arbeitet. Für diese Inszenierung hat sie mit dem Engagement der Genfer Dead Brothers einen absoluten Glücksgriff getan.“ Badische Zeitung
„Aurel Mantheis Alfred, ein schmieriger Kerl in gleichbleibend geschmacklosen, stets bordeauxroten Anzügen, versteckt den feigen Schmarotzer hinter grossmäuligem Renommiergehabe. Sein Rivale Oskar ist bei Matthias Bundschuh ein gefährlich verhaltener Schwächling mit dünner Fistelstimme, der unter der Metzgerschürze eine ungemütliche Magerkeit verbirgt und sich ständig mit dem Fleischermesser die Fingernägel putzt. In der Nebenrolle seines Burschen Havlitschek bringt Alexander Maria Schmidt mit massigem Babyspeck blutverschmierte Brutalität ein. Und Jean-Pierre Cornu als Rittmeister bewegt sich – Uniform, Helm, Federbusch – wie eine hysterische Operettenfigur durch die Niederungen dieser geistig und materiell armseligen Kleinbürgerwelt. Über die vielfältigsten Nuancen aber verfügt Friederike Wagners perfekt besetzte Valerie. Eine – wie man so sagt – gut erhaltene Fünfzigerin, zeigt sie ihrem Alfred die mehr kokette als kalte Schulter, hat das Nachsehen und rächt sich an ihm bis zuletzt.“ NZZ
„Mit Witz und Selbstverständlichkeit eignen sich die Zürcher Schauspieler Horváths Jargon an, ohne ihn irgendwie explizit auszustellen. Namentlich Matthias Bundschuh als Oskar tut dies sehr unterspielt, mit biederer Hartnäckigkeit, trocken, schmächtig und unendlich komisch. Und dann die Marianne von Lilith Stangenberg, die das uneigentliche Sprechen auch in der eigenen schauspielerischen Distanz zur Rolle elektrisierend einbringt: Sie ist gegenwärtig vielleicht überhaupt die ideale Besetzung für diese Partie. Eigensinnig und von zerbrechlicher Kraft ist ihre Marianne, sie will im Kreis fortfliegen, sie will krächzend in der Luft das Glück erkrallen, sie muss unendlich lang mit den Händen die Augen verschliessen, als sie Alfred zum ersten Mal sieht. In der Liebesszene dann ist es ein Glänzen, Blitzeinschlagen und Strahlen, dass beide bodenlos am Schnürboden schweben – und nachher, platschnass, einsam und völlig zerzaust durch die Windmaschine, singt sie das Kitschlied von der Wachau. Alfred selber ist bei Aurel Manthei ein hochglanzpolierter Schaubudencowboy, als Auto wäre er tiefergelegt; Jean-Pierre Cornu ist der hinreissend vertrottelte Rittmeister; Friederike Wagner eine spröde Trafikantin. Gegen sie hat eine Marianne auf der Suche nach dem richtigen Leben natürlich keine Chance. Sie tanzen, Wechselschritt vor, Wechselschritt zurück, ihren innerlich toten Trott, stille Strasse im achten Bezirk, maniküren die Hände mit dem Fleischermesser, stopfen – „die Liebe ist ein Edelstein“ – die triefenden Blutwurstdärme, kontrollieren weiterhin die Lottoziehung und schwimmen synchron in der Donau-so-blau. Der Alltagsfoxtrott, leichtfüßig, und schmerzlich komisch.“ Nachtkritik.de
„Gebannt verfolgt man als Zuschauer den in Szene gesetzten Totentanz vor allem dank den durchwegs grossartigen schauspielerischen Leistungen. Lilith Stangenberg pendelt als Marianne zwischen entrücktem Schwebezustand und eigenständigem Aufbegehren: Matthias Bundschuh ist als Oskar ein geradezu eisiger Biederling; Michael Neuenschwander gibt den Zauberkönig mal resolut, mal vertrottelt und voller Untergangsmelancholie. Perfekt auch all die Übrigen. Und unheimlich das Geschehen mit Tod umgarnend und kommentierend spielen Fritz Fenne und Kate Strong als Knochenmann/-frau. Bleibt der ganz grosse Tupf auf dem i: Erleben kann man auch einen herrlichen Musiktheaterabend. Seit Jahren tingelt die Genfer Folk-Gruppe Dead Brothers mit ihren morbiden, poetischen, fetzigen, ironisierenden Klängen durch die Welt. Unglaublich, was die Musiker um Alain Croubalian mit ihren Instrumenten für einen bis ins Mark greifenden Ohrenschmaus im Schauspielhaus hinlegen. Das allein lohnt schon den Besuch dieser rundum gelungenen „Wiener Wald“-Inszenierung. Der Applaus war entsprechend.“ Aargauer Zeitung
„Friederike Wagner ist in ihrer Abgebrühtheit, in der ein letzter Rest von Hoffnung glüht, eine hervorragende Valerie, Jean-Pierre Cornu ein wunderbar vertrottelt-zynischer Rittmeister. Aurel Mantheis Alfred ist ein Halodri, wie er im Buche steht, und Alexander Maria Schmidts Havlitschek eine jener Horváth-Figuren, die man in ihrer Mischung aus Brutalität und Gemüt so leicht nicht wieder vergisst.“ Die Welt
„Nicht einzelne Figuren werden in ihrer Gemeinheit und Dummheit entlarvt: Weder der erschütternd gefühlskalte und empathielose Oskar (Matthias Bundschuh) noch der schmierige Windhund und tätowierte Kleinganove Alfred (Aurel Manthel) oder der berechnende Zauberkönig, Mariannes gnadenloser Vater (Michael Neuenschwander) werden an den moralischen Pranger gestellt. Nein: Karin Henkels darin sehr konsequente Inszenierung zeigt, wie ein Kollektiv weltwirtschaftskrisengebeutelter Angehöriger der unteren Mittelschicht es vereitelt, dass eine von ihnen ausschert aus der ihr zugedachten Rolle. Wenn Lilith Stangenberg, die mit anrührender Naivität und sanftem, aber unbeirrbarem Trotz von Beginn an auf verlorenem Posten kämpfende Marianne, den Pathosruf aller Unterdrückten loslässt: „Jetzt bricht der Sklave seine Fessel!“, könnte sie gar nichts Falscheres gesagt haben. Morituri te salutant. Nur weiss sie es (noch) nicht.“ Badische Zeitung
„Mit Ödön von Horváths „Geschichten aus dem Wiener Wald“ boten Ensemble und Musiker einen herrlichen Abend.“ Aargauer Zeitung
„Grosser Jubel für einen grossen Wurf.“ Badische Zeitung
„Das Publikum dankt mit grossem Beifall.“ Südkurier
- Regie
- Karin Henkel
- Bühne und Kostüme
- Henrike Engel
- Licht
- Gerhard Patzelt
- Dramaturgie
- Roland Koberg
- Regieassistenz
- David Koch
- Bühnenbildassistenz
- Barbara Pfyffer
- Kostümassistenz
- Ramona Müller
- Regiehospitanz
- Zita Signer
- Kostümhospitanz
- Anna-Katharina Mülhäuser
- Inspizienz
- Aleksandar Sascha Dinevski
- Souffleuse
- Gabriele Seifert
- Musik
- Alain Croubalian