Alkestis
Pfauen
Premiere am 6. Februar 2010
Unterstützt von der Gesellschaft der Freunde des Schauspielhauses
Admet, König von Thessalien, muss sterben, erhält aber von den Göttern die Möglichkeit, seinen Tod aufzuschieben, wenn ein anderer Mensch für ihn stirbt. Admet rechnet damit, dass seine alten Eltern das Opfer auf sich nehmen werden, doch weder sie noch andere Verwandte wollen für ihn in den Tod gehen. Nur Admets junge Frau Alkestis erklärt sich zum stellvertretenden Sterben bereit. „Alkestis“ setzt an dem Tag ein, an dem das Versprechen eingelöst werden muss. Euripides lässt Alkestis, anders als im Mythos, nicht unmittelbar nach ihrem Versprechen sterben, sondern es vergehen bis zu ihrem Todestag mehrere Jahre. Wie sieht Alkestis, die inzwischen Kinder hat, die sie liebt und nicht verlassen will, ihre Entscheidung aus dem zeitlichen Abstand? Wie hat Admet im ständigen Bewusstsein der heroischen Selbstaufopferung seiner Frau gelebt und wie die Familie im Wissen, dass jeder sich für das eigene Leben und gegen Admet entschieden hat? Alkestis stirbt und lässt Admet untröstlich zurück. Gerade weil er dem Tod ausgewichen ist, ist dieser nun umso präsenter – in den Erinnerungen an seine tote Frau, in den ausgesprochenen und unausgesprochenen Vorwürfen der Mitmenschen, in seinen Selbstmordgedanken. Aber die unerwartete Ankunft des Halbgottes Herakles bringt Hoffnung in das Geschehen. Vielleicht kann der Tod noch einmal überlistet werden und Alkestis von den Toten zurückkehren. Aber wird der zweite Handel zu einem glücklicheren Ende führen als der erste?
Bei den Dionysien in Athen stellten sich die Tragiker mit jeweils einer Tetralogie vor – mit drei Tragödien und einem Satyrspiel als heiter-versöhnlichem Abschluss. Die „Alkestis“ wurde 438 v. Chr. uraufgeführt und stand an vierter Stelle und tatsächlich hat diese „Halbkomödie“ (Jan Kott) burleske Züge. Euripides denkt darüber nach, was geschähe, wenn sich der Tod delegieren liesse und führt damit den menschlichen Traum von der Kontrolle über den Tod ad absurum.
„Nach dem Tanz als Prolog blicken wir als privilegierte Voyeure ins Innere des Palasts, in ein Familiensystem, für das die Bühnenbildnerin Henrike Engel einen fensterlosen Raum geschaffen hat, der in seiner wuchtigen Sterilität wie der Warteraum zur Vorhölle wirkt. Hier entwickelt die Regisseurin Karin Henkel, indem sie die Textpassagen des antiken Chors auf verschiedene Familienmitglieder verteilt, ein virtuoses Szenario der Aggressionen, der Selbstzerfleischung, der stummen und lauten Vorwürfe, der hektischen Betriebsamkeit und der lähmenden Ratlosigkeit. Mit allen Registern des psychologischen Kammerspiels führt sie uns vor, was das antike Stück nur ahnen lässt: die vollkommene Zerrüttung von Haltung und Würde im Angesicht eines Todes, der umso skandalöser scheint, als er voraussehbar und durch menschliches Eingreifen gesteuert war.“ NZZ
„Euripides' Stück stellt eine Frage, die aktueller kaum sein könnte. Fit im Alter, Sterbemedizin und als Ultima ratio die Konservierung im Kühltank, alles wird versucht, um die leise Hoffnung auf Unsterblichkeit zu bewahren. Darum geht es in diesem Stück. Aber nicht nur. Eindringlich fragt es danach, wie wir es als Gemeinschaft mit dem Sterben halten.“ Nachtkritik.de
„Der – sehr heutige – Eiertanz ums Tabuthema macht den ersten, den fesselnden und scharfzüngigen Teil von Karin Henkels Inszenierung aus. Die knapp 40-jährige Deutsche, die einst als jüngste Regisseurin am Wiener Burgtheater in die Annalen einging, schält so die Kernfrage von Euripides’ Stück heraus, das 438 vor Christus zur Uraufführung kam: Wie soll der Mensch mit dem Tod umgehen?“ Tages-Anzeiger
„Henkels schlanke, fast beiläufige Inszenierung verwundert und verwundet. Mit Figuren die so gegenwärtig sprechen und handeln, als wären sie von der Strasse auf die Bühne gelaufen und mit der erbarmungslosen Wucht, wie sie uns das Thema vorsetzt.“ DRS 2
„In seinem antiken Drama vermengt Euripides mit großem Vergnügen die verschiedensten Ebenen. Sein Stück ist Komödie und Tragödie zugleich, handelt von Göttern und Menschen, von Gut und Böse, Held und Versager, Liebe und Selbstverliebtheit und schließlich von Leben und Tod. Dass so viel Kunstfertigkeit auch nach Tausenden von Jahren noch nicht alt aussieht beweist Karin Henkel mit ihrer Alkestis-Inszenierung am Schauspielhaus Zürich.“ Südkurier
„Das Abschiednehmen ist eine Theatervorstellung, in der jeder seine Rolle zu spielen hat wie im Rest des Lebens auch (grandios gallig gibt seine Rolle übrigens Gábor Biedermann als Klampfe klimpernder Tunichtgut, als scharfsichtiger und eifersüchtiger Bruder).“ Tages-Anzeiger
„Alle Rollen sind sehr präzise besetzt, Tatja Seibt als Contenance wahrende Mutter, Jean-Pierre Cornu in der Rolle des um Harmonie bemühten pragmatischen Patriarchen, Ludwig Boettger als kalt-rationaler Onkel und Gábor Biedermann als establishment-kritischer Brausekopf. Markus Scheumann spielt überzeugend den Schwächling Admet, während Carolin Conrad in einer Doppelrolle ins Kraftzentrum der Inszenierung rückt. Sie ist nicht nur die ausdrucksvoll und mit großer Gebärde sterbende Alkestis, sondern hat auch als Herakles-Jacko einen starken Auftritt.“ Südkurier
„Das Premierenpublikum bedankte sich bei den Schauspielern mit grossem Applaus.“ Zürcher Oberländer
- Regie
- Karin Henkel
- Bühne
- Henrike Engel
- Kostüme
- Klaus Bruns, Nina Sophie Wechsler
- Licht
- Ginster Eheberg
- Choreographie
- Anna Tenta
- Dramaturgie
- Katja Hagedorn
- Regieassistenz
- Jörg Schwahlen
- Bühnenbildassistenz
- Barbara Pfyffer
- Soufflage
- Rita von Horváth
- Inspizienz
- Irene Herbst
- Regiehospitanz
- Selina Puorger