Bühne frei für Mick Levčik!
Pfauen
Premiere am 1. April 2016
René Pollesch, dessen Pop-, Diskurs- und Humorgewitter Kultstatus erlangt haben, erarbeitet sein mittlerweile sechstes Stück am Schauspielhaus mit dem Zürcher Ensemble. Mit dabei ist die Schauspielerin Sophie Rois sowie bereits zum dritten Mal der Herrensprechchor von „Herein! Herein! Ich atme euch ein!“ und „Love/No Love“. Wichtiger Ausgangspunkt ist eine Bühnenbildidee von Bert Neumann († 2015), nach der er das Bühnenbild einer Antigone-Inszenierung von Bertolt Brecht als Readymade auf die Zürcher Pfauenbühne zurückbringt.
Als Bertolt Brecht nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem amerikanischen Exil nach Europa zurückkehrte, verlief sein Weg über Zürich, wo mehrere seiner Stücke am Schauspielhaus uraufgeführt worden waren. Er realisierte vor seiner Rückkehr nach Deutschland einige Arbeiten, darunter 1947 mit seinem Bühnenbildner und wichtigen Partner Caspar Neher jene Inszenierung „Antigone des Sophokles“ in Chur und Zürich.
„Was nach einer tiefenbohrenden, theaterseminartauglichen Verschachtelung klingt, ist eine klassische – ja, dieses Adjektiv darf man hier verwenden! – Pollesch-Posse mit kolossalem Spassfaktor.“ Tages-Anzeiger
„René Polleschs Theatertexte sind eine Mischung aus aktuellem Anlass und universaler Theorie, da blitzt eins ins andere, bis sich keiner mehr auskennt, Modell und Extempore, der schlaue Einfall und das Telefonbuch als Bühnenklassiker, es ist der schönste Rausch. Pollesch-Abende sind immer so etwas wie ein kurzer, heftiger Flirt. Sie stürzen sich in einen hinein, sie reizen die Situation aus, und hinterher hängt man ihnen ein wenig benommen nach. Hat vielleicht ein leichtes Déjà-vu. Aber fühlt sich auch wunderbar belebt.“ NZZ
„René Pollesch dekonstruiert den alten Brecht mit Hilfe des noch älteren Sophokles und neuerer feministischer Diskurse und macht aus einer schweren antiken Tragödie aus dem Jahre 1948 eine leichte Komödie für die „grosse inzestuöse Theaterfamilie“. „Die Theatersituation transparent machen“, die „Narration mitsprechen“ heisst das im Stück. Sophie Rois spielt nicht nur Antigone, sondern natürlich immer auch Helene Weigel, plus: Volksbühnen-Heroine beim Betriebsausflug in die Schweiz.“ Frankfurter Allgemeine Zeitung
„Nun ist es nicht von der Hand zu weisen, dass es in „Bühne frei für Mick Levčik“ ab und zu ein bisschen theaterwissenschaftlich zu- und hergeht. Aber herrje, meist ist der Abend saukomisch. Dann versucht Sophie Rois mit Hilfe eines Running Gags festzulegen, was Sophokles mit seiner „Antigone“ eigentlich sagen wollte: „Worum geht es eigentlich in diesem Stück?“ Oder der fesche Herrenchor weigert sich, als alte Frau aufzutreten, man sei ja weder alt noch weiblich: „Ich will keine alte Frau spielen, ich will einen Nazi spielen.“ Also gönnt Pollesch den elf Freunden die leichtfertigen Freuden von Einfühlung und Repräsentation und schickt sie als schwulen SS-Trupp aufs Spielfeld.“ Nachtkritik.de
„Kein Hauch von tragisch umwehter Antigone-Erstarrung. René Pollesch erobert das Publikum im Handstreich und erlöst uns mit einer ausgefuchsten Mischung aus Zitatgewittern, arroganten Kenner-Phrasen, Proben-Hysterie und Backstage-Philosophie aus allen Tragödien-Klischees. Doch kommen wunderbarerweise weder die Lehrtheater-Ikone Brecht noch Antigone unter die Räder dieser Anti-Ernsthaftigkeits-Dramaturgie. Ganz ohne Brechstange – aber mit viel Brecht’scher Schlauheit.“ Deutschlandfunk
„Was sagt uns Brechts episches Theater heute? Darauf gibt Polleschs Inszenierung (es ist mittlerweile sein sechstes Stück am Zürcher Schauspielhaus) keine schlüssige Antwort. Vielmehr nimmt Pollesch die Brecht´sche Dramaturgie zum Anlass, deren Lehrhaftigkeit zu denunzieren, ins Lächerliche zu ziehen, ohne bösartig oder besserwisserisch zu wirken. Mit viel Klamauk wird zitiert, phrasiert, philosophiert, geprobt, um eine bleibende Modellinszenierung zu schaffen. „Wir müssen zitieren, damit wir weiterkommen“, lässt Pollesch die Hauptdarstellerin immer wieder sagen. Trotz Beschwörung und Mahnung, Pollesch räumt mit den Tragödien-Klischees auf, verfremdet diese zu einem höchst unterhaltsamen Theaterereignis voller Ironie und Missgeschick.“ seniorweb.ch
„So kann Pollesch seine vier Schauspieler und einen Herrenchor ungehemmt herumalbern lassen und immer wieder fragen: „Worum geht es in diesem Stück?“ Anfangs ist „dieses Stück“ noch die Antigone, doch immer mehr bezieht sich die Frage auf das frische Werk von René Pollesch. Und damit auch auf die Probensituation, die er hier mehr denn je thematisiert und ausstellt. „Wir fallen erst übereinander her, wenn einer sagt, „Die Probe ist beendet“, heisst es im Text. Und tatsächlich fällt der 11köpfige Herrenchor dann regelmässig über Sophie Rois her, jagt sie hinter den Bastvorhang und von der anderen Seite wieder quer über die Bühne. Der Chor will keine alte Dame spielen, der Chor soll geschlagen werden oder hebt kollektiv die Hand, um gemeinsam eine Backpfeife auszuteilen.“ Deutschlandradio Kultur
„Die Verwirrung ist vergnüglich, der Drive hochansteckend – verantwortlich dafür ist das virtuose Schauspielerquartett von Nils Kahnwald, Marie Rosa Tietjen und Jirka Zett aus dem Zürcher Ensemble und Sophie Rois als Gast, die, wie ihr J (Zett) bescheinigt, selbst das Telefonbuch aufsagen könnte, und es wäre toll. An ihrer Seite der diesmal elfköpfige Pollesch‘sche Herrenchor, der partout keine alte Frau spielen will. Aber junge Männer, „das sind sie doch, das ist doch nicht spielen: sonst hiesse es ja „sein“ und nicht „spielen““, werden sie heruntergeputzt. Sie dürfen dann immerhin als Nazis auf die Pfauenbühne (hatten wir das nicht auch schon mal?) und legen in vollendeter Queerness, als „kleine süsse Truppentunten“, eine Variété-Nummer aufs Brecht-Parkett (in der Choreografie von Sebastian Henn): Allein ihretwegen lohnt der Besuch.“ NZZ
„Wenn Sophie Rois wie eine barlachartige Holzschnitt-Ikone mit exaltiert raumgreifenden Gesten und bemüht verquetschter Hoftheaterstimme nicht nur Speck und Brot, sondern auch Schlitten, Krücke und ein Kunstbein aus einem liegengebliebenen Mantel zutage fördert, verblasst fast der Schatten der Ahnfrau Helene Weigel.“ Deutschlandfunk
„Volksbühnenschauspielerin Sophie Rois durfte bei ihrem Zürcher Debüt im Brechtschen Vorspiel aus ihrem Berliner Winterkriegsmantel vom Kaninchen bis zu nackten Frauenbeinen allerlei absurde Zitate hervorzaubern. Das unglaubliche Organ dieser Helene Weigel des Jahres 2016 kiekste, kippte und überschlug sich dabei derart oft, dass die Rois mit ihrem scharf geschnittenen Gesicht, das eine kindische Stirnfranse keck verdeckte, zur Kippfigur des Abends wurde, an der sich die ganze postmoderne Verunsicherung abzeichnete: Darf man vom Original abweichen oder nicht? Können Brechungen Prinzipien beleben, oder hat man nur das Prinzip nicht verstanden? Entstehen Schöpfungen aus sich selbst heraus, oder schöpft man Zitate immer von anderen ab?“ Solothurner Zeitung
„Lob verdient auch der Herrenchor, der gekonnt herumalbert und meisterhaft choreografierte Showeinlagen hinzaubert. Grossartig ist der Tanz in SS-Uniform und mit Hitlergruss zu „Springtime for Hitler“ von John Morris.“ seniorweb.ch
„So hatte Polleschs genialer Bühnenbildner Bert Neumann, der letzten Sommer starb, sorgsam Caspar Nehers Bühnenbild für die brechtsche Inszenierung dupliziert und eine antiillusionistische Raumbühne entworfen; Barbara Steiner hat sie vollendet. Ganz vorne ist das Spielkarree, begrenzt durch vier Pfähle mit weissen Pferdeschädeln obendrauf; dahinter wölbt sich ein Halbrund, das mit geröteten Binsen beklebt und von Bänken gesäumt ist. Dort verfolgen Ensemblemitglieder, die gerade keinen Auftritt haben, das Spiel, rauchen, schwatzen, machen Vorschläge, stellen Fragen.“ Tages-Anzeiger
„Weil diese Inszenierung (und das Drumherum ihrer Entstehung) bis ins Detail dokumentiert ist, konnte Polleschs im letzten Jahr verstorbener Bühnenbildner Bert Neumann diese merkwürdige, ovale, rote Binsenwand von Brechts Bühnenbildner Caspar Neher für die Pfauen-Bühne rekonstruieren. Vor ihr untersuchte das Zürcher Ensemble am Freitagabend auf Holzbänken sitzend und um das mit Pfählen aus Pferdeschädeln eingegrenzte Spielfeld das epische Theater auf seine Gegenwartstauglichkeit. Diesem Versuch aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts also, der dramatischen Handlung mittels epischen Tons und Requisiten-Entrümpelung jede Illusion zu nehmen.“ Aargauer Zeitung
„Bert Neumann hatte kurz vor seinem Tod 2015 die Idee, die Modellbühne von 1948, die er schon im Studium rekonstruiert hatte, noch einmal nachzubauen. René Pollesch erfüllte seinem Freund und „ersten Autor“ seinen letzten Willen, und so steht jetzt die Churer Antigone-Bühne als „Readymade“ im Zürcher Schauspielhaus; möglicherweise eins zu eins, aber Fotos und Zitate können lügen. Brecht und Neher wollten als Gegenbild zum Pomp der nationalsozialistischen Theater eine „sorgfältig möblierte Leere“ und die Reste der gerade überwundenen Barbarei zeigen. Die antifaschistische Entrümpelungsaktion schimmert auch heute noch durch. Keine vierte Wand, kein Repräsentations- und Identifikationstheater: Vor einem archaischen Rundhorizont aus geröteten Binsen warten die Schauspieler auf Bänken rauchend auf ihren Einsatz. Die Spielfläche ist hell erleuchtet und begrenzt von vier Holzpfählen – bloss keine Säulen! –, an denen Pferdeschädel hängen.“ Frankfurter Allgemeine Zeitung
„Dies alles wird in einem so kennerschaftlich authentischen Sound verhandelt, dass man sich für Momente immer wieder in echte Probensituationen mit ihrem Hickhack, ihrem Dauerstress, ihren Erregungen und Anstrengungen – ihrem hilflosen Dogmatismus und ihrer konzeptionssüchtigen Versessenheit und blasierten Besserwisserei versetzt glaubt. Zugleich aber auch so manieriert und nachdenklich, dass man an keiner Stelle dem Irrtum erliegen kann, hier würde blosser Klamauk auf Kosten des Theaters getrieben. Paradoxerweise ist das genaue Gegenteil der Fall. Pollesch zieht bei diesem Vorgehen nämlich selber alle Register des episch verfremdeten, überzeichnenden Theaters; so stark, so ruppig und zugleich liebevoll, dass daraus eine unprätentiöse Hommage, eine Beschwörung des theatralischen Hier und Jetzt wird – inklusive aller möglichen Flops und Missgeschicke.“ Deutschlandfunk
„René Pollesch verlustiert sich in Zürich an der Brechtschen „Antigone“. Es war ein grosser Auftritt des Berliner Volksbühnen-Stars Sophie Rois.“ Zentralschweiz am Sonntag
„Das Premierenpublikum war begeistert und bedankte sich mit grossem Applaus.“ seniorweb.ch
„René Pollesch macht in seiner sechsten Zürcher Arbeit aus dem alten Mick Levčik alias Bert Brecht den Stiefvater oder wenigstens Patenonkel seines Diskurstheaters und aus einem theaterhistorischen Seminar prima Unterhaltung.“ Frankfurter Allgemeine Zeitung
„„Bühne frei für Mick Levčik!“: René Pollesch inszenierte auf der Zürcher Pfauenbühne Pollesch frei nach Brecht frei nach Hölderlin frei nach Sophokles. Klingt kompliziert? Funktioniert aber prima.“ Tages-Anzeiger
„Das Premierenpublikum war begeistert. Es gab lang andauernden Applaus, untermalt mit fast schon exzessivem Bravogebrüll der Pollesch-Fans.“ Der Landbote
„Das ist klug und komisch und kann man gerne zitieren.“ Nachtkritik.de
- Regie
- René Pollesch
- Bühne
- Bert Neumann †, Barbara Steiner
- Kostüme
- Sabin Fleck
- Künstlerische Leitung des Chores
- Christine Gross
- Dramaturgie
- Karolin Trachte
- Licht
- Lothar Baumgarte, Christoph Kunz
- Regieassistenz
- Tobias Herzberg
- Bühnenbildassistenz
- Simon Sramek
- Kostümassistenz
- Marcus Karkhof
- Dramaturgiehospitanz
- Luzia Renner-Motz
- Souffleuse
- Rita von Horváth
- Inspizienz
- Ralf Fuhrmann
- Regiehospitanz
- Ariana Battaglia
- Choreographie
- Sebastian Henn