Die Jungfrau von Orleans
Pfauen
Premiere am 25. September 2015
Unterstützt von der Hans Imholz Stiftung
Ein rettender Engel, ein mordender Teufel, ein Wundermädchen, dem sich keiner entziehen kann, dem keiner entkommt. So erscheint die Jungfrau von Orleans auf dem Schlachtfeld. Mit ihrem Erscheinen aus dem Nichts und ihrem Verschwinden ins Nichts verbreitet sie geradezu mythischen Schrecken, wie wir es aus dem Alten Testament kennen. Wer ist sie? Wer war sie? 1429 während des Hundertjährigen Kriegs zwischen England und Frankreich taucht ein lothringisches Bauernmädchen mit göttlichem Sendungsbewusstsein im französischen Lager auf und führt die Franzosen an der Spitze von Sieg zu Sieg und ihren Kronprinzen Karl VII. zur Krönung nach Reims. Schillers „romantische Tragödie“ erklärt die historische Fahnenträgerin zur Gotteskriegerin, die eigenhändig tötet. Erst als sie dem englischen Heerführer Lionel begegnet, versagt ihr die Kraft zu töten, weil sie liebt. Stephan Kimmig, geboren 1959 in Stuttgart, arbeitet u.a. am Deutschen Theater Berlin, an den Münchner Kammerspielen, am Wiener Burgtheater, am Staatstheater Stuttgart und an der Bayerischen Staatsoper München. Neben regelmässigen Einladungen zum Berliner Theatertreffen, darunter „Thyestes“‚ „Nora“ und „Maria Stuart“, erhielt er u.a. den Wiener Nestroy-, den Rolf-Mares- und den Faust-Preis sowie – zusammen mit der Bühnenbildnerin Katja Hass – den 3sat-Innovationspreis für zukunftsweisende Leistungen im Deutschen Schauspiel für „Maria Stuart“. Mit seiner Inszenierung von „Jungfrau von Orleans“ stellt er sich zum ersten Mal dem Zürcher Publikum vor.
„Fünfmal Johanna. Auf fünf weissen Vorhängen strahlen diese braunen Augen, gross wie Suppenteller; strahlt dieses kunstlose Lächeln mit den herzerwärmend schiefen Zähnen: Filmprojektionen im Lucian-Freud-Format. Der Auftakt zu Stephan Kimmigs Inszenierung von Friedrich Schillers „Die Jungfrau von Orleans“ am Pfauen ist eine optische Ode an die Titelheldin, besser, an ihre Darstellerin: Marie Rosa Tietjen. Und nach der zweieinhalbstündigen Aufführung weiss man: Die Tietjen hat diese Ode verdient, ohne Wenn und Aber.“ Tages-Anzeiger
„Das Schauspielhaus Zürich spielt Schillers Kriegsdrama „Jungfrau von Orleans“ in einer starken Inszenierung von Stephan Kimmig.“ Südkurier
„Vor Schillers „Jungfrau von Orleans“ strecken selbst gestandene Germanisten die Waffen – angesichts der Tatsache, dass man diesem Stück Weimarer Klassik so ohne weiteres nicht beikommen kann. Auch nicht mit Rückgriff auf die Psychologie seit Sigmund Freud oder den Idealismus des Verfassers. Aber für das Theater sind die Schwierigkeiten des Stoffs kein Grund, sich diesem Brocken zu verweigern, der sich selbst eine „romantische Tragödie“ nennt. Zumindest nicht am Schauspielhaus Zürich, wo der alte Schiller nun in der Regie von Stephan Kimmig gezeigt wird – mit Zusätzen von Peter Stamm, der dem Klassiker einen Bezug zur Gegenwart geben will. Angesichts des religiös motivierten Terrorismus unserer Tage zäumt Stamms Zugabe die „Jungfrau“ naheliegenderweise beim Fanatismus auf, den man Schillers Johanna attestieren kann. Angeleitet von Stamms Text, schälen sich auf der Pfauenbühne Vertreter einer Versicherung aus einem Labyrinth aus transparenten Vorhängen heraus, um uns zu verkünden, dass im Terrorismus ein „noch viel zu wenig bearbeitetes Marktsegment“ zu erkennen sei. Dafür müsse man aber „ein Bewusstsein für die Bedrohung in der Bevölkerung“ schaffen, möge das Risiko für einen terroristischen Anschlag in der Schweiz noch so gering sein.“ Nachtkritik.de
„Der Berliner Regisseur hat sich zwar eindeutig in die potente Poesie des Textes verliebt (und das ist gut so), trimmt ihn aber gegenwartstauglich zurecht. Zum einen hat er radikal gestrichen und umgestellt. So gibt es in Stephan Kimmigs Finale keine Verklärung, sondern im Gegenteil, Johanna versinkt nach kurzem Himmelfahrtsphantasma in der abgrundtiefen Verzweiflung der Szenen davor: „Kein Gott erscheint, kein Engel zeigt sich mehr. Die Wunder ruhn, der Himmel ist verschlossen“, lauten hier ihre letzten Worte. Johanna verschwindet ungetröstet ins weisse Nichts. Was uns bleibt, ist ein ironisches kleines Kammerkonzert, frei nach Bachs Weihnachtsoratorium: „Herr, dein Mitleid, dein Erbarmen tröstet uns und macht uns frei.““ Tages-Anzeiger
„Die historische Jeanne d‘Arc wird 1431 nach einem Inquisitionsprozess als Hexe verbrannt. Friedrich Schiller hat seine Jungfrau als ein zwischen Neigung und Pflicht schwankendes Wesen angelegt. Regisseur Stephan Kimmig zeichnet das Psychogramm dieser Ikone und reichert das Stück mit Gegenwartsbezügen von Peter Stamm an. Die Rede ist vom Terrorismus unserer Zeit, die Parallelen zur fanatischen Kriegstreiberin Johanna herstellen soll. Die Bühne ist mit mehreren transparenten Vorhängen ausgestattet, die je nach Verlauf geöffnet und wieder geschlossen werden. Mit von der Partie ist ein Kameramann, der die Darsteller überlebensgross auf die Vorhänge projiziert (Bühnenbild: Katja Hass).“ seniorweb.de
„Marie Rosa Tietjens Johanna hat etwas tartüffesk Komisches an sich und gleichzeitig viel Unheimliches, das ist durchaus eindrücklich und faszinierend als Figurenzeichnung.“ NZZ
„Stephan Kimmig trimmte Schillers „Jungfrau von Orleans“ im Pfauen zusammen mit dem Schriftsteller Peter Stamm für die Gegenwart zurecht. Es ist der Abend von Marie Rosa Tietjen.“ Tages-Anzeiger
„Marie Rosa Tietjens Johanna ist der unstrittige Star der Zürcher Inszenierung. Das will die Regie so. Kimmig kennt Schillers Ton, auch die leisen, lyrischen Schattierungen, die Tietjen mit ihrer sanften, natürlichen Stimme kongenial rüberbringt.“ Südkurier
„Im Zentrum steht Johanna, grandios gespielt von Marie Rosa Tietjen. Sie, klein von Gestalt, mit Pagenschnitt, ernster Miene und festem Blick, verleiht der Hauptfigur jenen unerschütterlichen Ausdruck, der gleichsam Abscheu und Empathie fordert. Sie bewegt sich wenig, wirkt abgeklärt und unbeirrbar in ihrem Glauben, als Gesandte Gottes Frankreich zu retten. Im Gefecht verliebt sie sich in den feindlichen britischen Anführer Lionel.“ seniorweb.ch
„Klein von Gestalt gibt Marie Rosa Tietjen ihrer Johanna etwas bemerkenswert Eigenes – mit gekrampften Händen, die sie nah an ihrem Körper führt und mit denen sie offenbar in jedem Moment anzeigen will, dass sie die Erleuchtung und die damit einhergehende Überforderung hart gefühlt hat. Hinzu kommt ein in sich gekehrter Blick, der Tietjens Jungfrau etwas Entrücktes gibt, zugleich aber auch das Dämonische verleiht, das ihr die Feinde nachsagen werden.“ Nachtkritik.de
„Wohltuend ist, dass das ironische Spiel der Männer nicht mit Kriegsgeheul durchsetzt ist. Keine Frage, die schmierige Spielweise der fünf Männer ist grossartig, vorab Michael Neuenschwander glänzt mit gelungenen komödiantischen Einlagen.“ seniorweb.ch
„Die patriarchalen Gebilde sind also zeitlos, ebenso wie der weisse, aseptische Raum von Bühnenbildnerin Katja Hass: Diese „Jungfrau“ spielt in einem Labor für Versuche zu Überlebensstrategien in Zeiten ohne Sinn und Ziel. Sie sind Labormäuse, die Kämpfer hier in der Freizeitfight-Uniform: Jogginghose, Sweatshirt, Turnschuhe. Blau ist die Farbe der Franzosen, Rot die der Engländer (Kostüme: Johanna Pfau), aber eigentlich sind sie alle austauschbar. Daher musste man sie auch anschreiben: Auf jedem Oberteil prangt der Name, und man denkt an Wolf Biermanns „Soldaten sehn sich alle gleich, lebendig und als Leich“. Tages-Anzeiger
„Das Premierenpublikum bedachte die Schauspieler, vorab Marie Rosa Tietjen, mit begeistertem Beifall.“ seniorweb.ch
Anders ist nur Johanna, das verstörte Kind mit der Prinz-Eisenherz-Frisur – die grazile Schauspielerin mit dieser Power-Aura. Wenn die Herren sich im ersten Teil an der Rampe aufreihen, reden, reden, reden und das hallende Echo sie zu verspotten scheint, zieht sich die Chose. Noch die letzte, entlarvende Nichtigkeit wird aus den Versen herausgehämmert. Aber wo die Gotteskriegerin auf den jungen Montgomery trifft, den Engländer angewidert niederringt, die Augen auf den leeren Himmel fixiert; wo sie, die Kleine, auf den Grossen klettert, seinen Kopf wegdreht, ihn besiegt, ohne ihn anzusehen, den Menschen entfremdet und auch in Distanz zu Schillers Drama: Dann ist das Theater, das keine Erklärung braucht, ist geschichtenpralle Gegenwart.“ Tages-Anzeiger
- Regie
- Stephan Kimmig
- Bühne
- Katja Hass
- Kostüme
- Johanna Pfau
- Musik
- Michael Verhovec
- Video / Live-Kamera
- Julian Krubasik, Lambert Strehlke
- Dramaturgie
- Gwendolyne Melchinger
- Regieassistenz
- Clara Isabelle Dobbertin
- Bühnenbildassistenz
- Regula Zuber
- Kostümassistenz
- Mitra Karimi, Tiziana Ramsauer
- Souffleuse
- Katja Weppler
- Inspizienz
- Ralf Fuhrmann
- Regiehospitanz
- Korbinian Schmidt
- Licht
- Gerhard Patzelt