Schuld und Sühne
Schiffbau/Halle
Premiere am 20. September 2014
Unterstützt von Glen Fahrn
Mord ist nicht gleich Mord. Der, den der St. Petersburger Jurastudent Rodion Romanowitsch Raskolnikow begeht, ist ein philosophischer. Schliesslich dürfen aussergewöhnliche Menschen Aussergewöhnliches tun – denkt er. Der hochbegabte Student gerät erst in finanzielle Not und dann an eine raffgierige Pfandleiherin, Aljona Iwanowna. Sich ohne Gewissen wähnend, plant er akribisch den perfekten Mord. Dostojewskijs Roman ist in der Schiffbau-Halle in der Umsetzung von Sebastian Baumgarten zu sehen. Zuletzt hat er am Schauspielhaus Zürich „Die heilige Johanna der Schlachthöfe“ (eingeladen zum Berliner Theatertreffen 2013) auf die Bühne gebracht.
„Furios und fiebrig: Sebastian Baumgarten setzt in der Halle des Zürcher Schiffbaus Dostojewski Roman „Schuld und Sühne“ in Szene.“ Zürcher Unterländer
„Ein so totales Bühnenbild, das vom Fussboden bis an die Decke reicht und uns Zuschauer miteinbaut – als Spiegelbild unserer Überwältigung wurde sogar eine kindliche Schaufensterpuppe auf einen Publikumsplatz gesetzt –, hat es im Schiffbau noch nie gegeben. Wir alle sind Teil, sind kleine Kinder des Systems, das also nicht bloss total, sondern eben auch totalitär ist - scheint Barbara Ehnes‘ Bühnenkosmos, frei nach Dostojewski, zu behaupten.“ Tages-Anzeiger
„Noch bevor Baumgarten den Raum mit Hubschraubergeknatter und Suchscheinwerfern überzieht und auch lange bevor in einer Videoprojektion Konvois russischer Lastwagen unterwegs sind, beschleichen den Zuschauer schon Assoziationen aus der aktuellen Tagespolitik. Wir sind in Russland, die unergründlichen Weiten russischer Seele und Befindlichkeit breitet Baumgarten analytisch scharf und präzise, aber dennoch vielschichtig vor uns aus, so wie es Fjodor Dostojewski in seinem ersten grossen Roman vor fast 150 Jahren schon getan hat. Nur, dass Baumgarten dafür spektakuläre Bilder und Szenen, handelnde Menschen, der Appell an alle Sinne des Zuschauers zur Verfügung stehen und nicht nur die bedruckten Seiten eines Romans. Und er versteht dies zu nützen, fährt alles auf, was das Gegenwartstheater an Sinnesreizen zu bieten hat. Filmsequenzen, Hörspielakustik mit verstärkten Geräuschen, Musik, ein wenig Erotik und sogar die kultische Wirkung von Weihrauch. Im riesigen Saal des Zürcher Schiffbaus sind lebensgrosse Puppen im Zuschauerraum verteilt, unter der Tribüne kauern sie andächtig als Gottesdienstbesucher. So lässt sich auch die überbordende Opulenz eines russischen Romans auf die Bühne bringen.“ Südkurier
„Baumgartens Versuch, die Frage nach Verbrechen und Strafe anderthalb Jahrhunderte nach Dostojewski in einen ganz neuen, bombastisch gestalteten Hintergrund mit aktuellen Bezügen zu stellen, ist durchaus sehenswert und anregend. Das Premierenpublikum fand Gefallen daran und bedankte sich mit lang anhaltendem Applaus.“ seniorweb.ch
„Bilder aus der postkommunistischen russischen Gesellschaft sind zu sehen. Eingelassen auf der Bühne (von Barbara Ehnes) ein Militärfahrzeug. Im Hintergrund ein sozrealistisches Soldatendenkmal mit Einschusslöchern. Die Botschaft: Der grosse Krieg ist vorbei. Ein anderer wird kommen. Helikopter scheinen über uns zu kreisen, ihre Suchscheinwerfer blenden. Einmal nähern sich auch in einer Videoeinspielung weiss angestrichene Lastwagen der Grenze. Alles bereit zum Einmarsch in Ukraine now. Das ist eine Überhöhung eines Romans und seiner Geschichte. „Schuld und Sühne“ sieht aber anders aus. Die Projektionsfläche Dostojewski ist das eine. Das Spiel ist etwas anderes. Und das ist auch die Einladung für dieses Theater. Es zeigt alle Bewegungen, die in Dostojewskis Welt drinnen sind: die Hitze, das Fieber. Die getriebenen Menschen. Das Schauspiel von Reizbarkeit und Hochspannung. Faszinierend. Und furios.“ Der Landbote
„Der Sound von Andres Pekler durchdringt dieses Stück: Ungeheuer musikalisch ist die Vorstellung von „Schuld und Sühne“.“ Zürichsee-Zeitung
„Markus Scheumann spielt Raskolnikow schön und intensiv als Borderliner zwischen schmerzhaftem Autismus und überragendem Sendungsbewusstsein. Und doch, als er die verhasste Pfandleiherin umbringt, die ihn und andere gedemütigt haben soll, ist er noch nicht viel mehr als ein Verlierer, der Amok läuft. Viel unheimlicher ist, welche Wirkung er mit seiner Tat erzielt und mit seinen Traktaten, in denen er sich für den Mord programmiert hat – und wo es heißt, ein „aussergewöhnlicher Mensch“ habe das Recht, „seinem Gewissen zu erlauben, bestimmte Hindernisse zu überschreiten, allerdings nur in dem Fall, wenn die Verwirklichung seiner Idee es erfordert“. Man stelle sich vor, Anders Behring Breivik hätte mit seinem Massenmord auf Utöya und seinem wirren Manifest tatsächlich eine politische Wirkung erzielt: Hier ist es der Fall, der Ausraster eines Niemands erweist sich als erstaunlich nützlich.“ Nachtkritik.de
„Es gelingt etwas über drei Stunden, ganz nah am Abgrund zu balancieren, den Zuschauenden Schrecken einzujagen, sie emotional in leicht erpresserischer Weise für das Schicksal der Figuren einzunehmen und so auf einer parallelen Ebene zur Geschichte über die gesamte Dauer in einer interessierten Spannung zu halten, dass ein Gefühl von zeitlicher Beanspruchung dabei fast vergessen geht. Neben dem bewundernswerten Kraftakt von Markus Scheumann, der praktisch die ganze Zeit präsent ist, und der Wandlungsfähigkeit von Lukas Holzhausen ermöglicht diese Inszenierung auch ein beglückendes Wiedersehen mit Anne Ratte-Polle, die als Witwe ein Schauspiel für Göttinnen hinhaut.“ P.S.
„Markus Scheumann gelingt als asketisch-verbissener Student eine grossartige Rolle mit gewaltigen Textmengen und expressiver Körpersprache. Mit langen Haaren, zerzaustem Bart und wirrem Blick erinnert die hagere Gestalt an Bilder von hungerstreikenden RAF-Häftlingen. Auch das übrige Ensemble um Susanne-Marie Wrage, Henrike Johanna Jörissen, André Willmund, Lukas Holzhausen, Anne Ratte-Polle, Lisa Bitter, Nils Kahnwald, Julian Boine, und Norbert Stöss (einstmals Stadttheater Konstanz) stemmt bewundernswert die gewaltige Aufgabe. Und so hat das Zürcher Premierenpublikum selbst nach knapp vier Stunden Spieldauer noch Zeit und Kraft für langen begeisterten Beifall.“ Südkurier
„Markus Scheumann spielt mit viel Körpereinsatz den Studenten, Mörder und Helden Raskolinow mit überragendem Sendungsbewusstsein sehr differenziert, mal arrogant und rechthaberisch, dann wieder zögernd und zweifelnd. Lisa Bitter gibt eine gebrechliche und schwärmerische Prostituierte Sonja, die mit ihrem spiritistischen Hoffen auf göttliche Erlösung Raskolinow zur Selbstanzeige umzustimmen vermag. Zum Kabinettstück gerät die Überführung von Raskolinow durch den Bonbons lutschenden Untersuchungsrichter Porfiri, meisterlich dargestellt von Norbert Stöss. Meisterlich auch die Verwandlungskünste von Lukas Holzhausen, der gleich mehrere Rollen als trunkener Titularrat Mameladow, als schwadronierender Hofrat Luschin und als neureicher Gutsbesitzer Swidrigallow mit Bravour meistert. Grossartig auch Susanne-Marie Wrage, Anne Ratte-Polle und Henrike Johanna Jörissen, die ebenfalls in mehreren Rollen als humpelnde Pfandleiherin, als Raskolinows beherzte Mutter, als resolute Vermieterin, als Raskolnikows kokettierende Schwester Awdotja glänzen.“ seniorweb.ch
„Im Epilog marschieren die Darsteller kampfbereit, mit Ikone und roter Fahne wohin? Auf die Krim, wo Putin Raskolnikows Theorie für die „Idee“ von Grossrussland in die Tat umgesetzt hat?“ Die Südostschweiz
- Regie
- Sebastian Baumgarten
- Bühne
- Barbara Ehnes
- Kostüme
- Marysol del Castillo
- Musik
- Andrew Pekler
- Video
- Chris Kondek
- Licht
- Frank Bittermann
- Dramaturgie
- Ludwig Haugk
- Regieassistenz
- Sophia Bodamer
- Bühnenbildassistenz
- Luisa Beeli
- Kostümassistenz
- Noelle Brühwiler
- Videoassistenz
- Tabea Rothfuchs
- Dramaturgieassistenz
- Irina Müller
- Praktikum Bühnenbild
- Selina Puorger
- Souffleur
- János Stefan Buchwardt
- Inspizienz
- Ralf Fuhrmann
- Geräuschemacher
- Gil Schneider
- Regiehospitanz
- Maximilian Preisig, Michael Schönert